Düsseldorf Wirtschaft sieht duale Berufsbildung in Gefahr

Düsseldorf · Vor dem heutigen Ausbildungsgipfel bei NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zeichnet sich ein Schlagabtausch zwischen Wirtschaft und Gewerkschaften ab. "Wir bekommen nicht genügend junge Leute für unsere Ausbildungsplätze", klagt Ralf Mittelstädt, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammern (IHK) in Nordrhein-Westfalen. Derzeit seien bei den Unternehmen der 16 Kammerbezirke rund 3000 Lehrstellen unbesetzt. Er fordert eine bessere schulische Berufsorientierung, staatliche Sozialarbeiter für schwer vermittelbare Jugendliche und Mobilitätshilfen im ländlichen Raum, um Auszubildende in Regionen zu locken, in denen ein Überschuss an Lehrstellen bestehe.

Mittelstädt sorgt sich sogar um die Zukunft der dualen Ausbildung in Berufsschule und privatwirtschaftlichen Lehrstellen, weil der Nachwuchs fehle. Fast jedes dritte NRW-Unternehmen sieht bereits ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung wegen des Mangels an Fachkräften. Allein in NRW dürften 2020 rund 324 000 Fachkräfte fehlen. Die für die Ausbildung zuständige Geschäftsführerin der IHKs im Land, Sophia Tiemann, verwies auf die bisherigen Anstrengungen der Unternehmen, die Zahl der Ausbildungsplätze stetig zu erhöhen. "Es hat keinen Sinn, weitere Steigerungen zu verlangen, wenn die Firmen viele Ausbildungsstellen nicht besetzen können", sagte die Expertin. Es gebe inzwischen für jeden Kammerbezirk ein ausgefeiltes Konzept, Bewerber für unbesetzte Lehrstellen zu finden, einen Ausgleich zwischen freien Ausbildungsplätzen und unversorgten Jugendlichen herzustellen und die Anstrengungen für Bewerber zu verstärken, die keine Stelle finden. "Mehr können wir nicht tun." Allein im Kammerbezirk Düsseldorf übersteige der Bedarf an Lehrlingen die Bewerberzahl in vielen Berufen um mehr als das Vierfache.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht das anders. NRW-Chef Andreas Meyer-Lauber verlangt von den Betrieben eine Steigerung der Zahl der Ausbildungsplätze um zehn Prozent. Denn noch immer seien zu viele junge Leute ohne Ausbildungsplatz. Deshalb sei auch die vom DGB immer wieder geforderte Umlage nicht vom Tisch, die Unternehmen ohne Ausbildungsplätze zahlen sollen. Eine solche Umlage lehnt die Wirtschaft vehement ab. Nach den Zahlen der Agentur für Arbeit suchten im abgelaufenen Lehrjahr rund 142 000 Bewerber einen Ausbildungsplatz. Von ihnen blieben knapp 5300 ohne Ausbildungsplatz. Sowohl die Zahl der Bewerber als auch die der Unversorgten nimmt ab. Zugleich sank aber auch die Quote der Unternehmen, die noch Lehrlinge einstellen, von 24,3 auf zuletzt 23,9 Prozent (Ende 2013). Bundesweit bilden noch 20,7 Prozent der Betriebe aus. Die Zahlen für das erste Halbjahr des neuen Ausbildungsjahres liegen noch nicht vor; der Trend dürfte nach Auskunft der Landesagentur jedoch gleich bleiben. Die Gewerkschaften beklagen insbesondere die noch immer bestehende Lücke zwischen Lehrstellen und unversorgten Bewerbern. Sollte es beim Kraft-Gipfel nicht zu verbindlichen Zusagen der Arbeitgeber kommen, so Meyer-Lauber, "hat der Ausbildungskonsens seinen Auftrag verfehlt".

(RP)
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