Berlin Wirbel um SPD-Plagiatsjäger

Berlin · Der Plagiatsjäger und Gründer der Internet-Plattform Vroniplag, Martin Heidingsfelder, ist selbst unter Druck geraten. Nachdem seine Identität und seine Parteizugehörigkeit zur SPD bekannt geworden war, warf ihm nun der Europa-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis (FDP) in der "Bild"-Zeitung vor, hinter Heidingsfelders Aktivitäten stehe eher "parteipolitisches und kommerzielles Interesse" als Aufklärungswille.

Chatzimarkakis hatte seinen Doktortitel abgeben müssen, nachdem Vroniplag etliche abgeschriebene Stellen in der Dissertation des FDP-Politikers nachgewiesen hatte. Heidingsfelder verteidigte sich: "Das ist alles andere als eine parteipolitische Aktion", sagte er. Der 45-Jährige betonte, er sei nur ein "kleines Rad im Getriebe" der Plattform. Bei Vroniplag engagierten sich rund 20 Menschen. Es gehe um die Sache. "Nach meinen Informationen gehört auch ein FDP-Mitglied zum harten Kern."

Auffällig ist allerdings, dass Vroniplag bislang vor allem FDP-Politiker in Bedrängnis gebracht hat. Aufgrund der Enthüllungen verlor auch die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin ihren Doktortitel. Die Arbeit der liberalen Unternehmerin Margarita Mathiopoulos wird zurzeit von der Universität Bonn auf Plagiate geprüft. Den Namen "Vroniplag" für die Enthüllungsplattform lieferte die Tochter des CSU-Politikers Edmund Stoiber, Veronica Sass, die von Heidingsfelder und anderen als Erste beim Abschreiben erwischt wurde.

Im Visier der Enthüller ist aktuell auch der sächsische Kultusminister Roland Wöller (CDU). Bei ihm war aber offenbar schon 2008 von der Technischen Universität Dresden beanstandet worden, dass seine Doktorarbeit in langen Passagen mit einer Magisterarbeit der Universität Bonn übereinstimme. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) stellte sich schützend vor seinen Kultusminister: Er wolle an Wöller festhalten.

Heidingsfelder leitet das Marktforschungsunternehmen Succedeo; zudem arbeitet er als Programmierer und ist Diplom-Kaufmann. Im Internet-Netzwerk Xing gibt er als Interessen unter anderem Golf, Politik und Laufen an. Im Wahlkampf 2005 gründete er die Plattform "angela-nein-danke.de" und überreichte Andrea Nahles freudestrahlend Aufkleber mit dem Slogan "Angela? Nein danke" als Wahlkampfhilfe. Er war auch beteiligt bei der Suche nach Plagiatsstellen in der Doktorarbeit des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Dessen Geschichte hatte das Plagiats-Jagdfieber in Deutschland ausgelöst.

Bis vor zwei Tagen hatte der Enthüller seine Identität geheim gehalten. Nach einem Anruf der "Bild"-Zeitung, die ihn fragte, ob er der "Goalgetter" ("Torjäger") bei Vroniplag sei, entschloss sich Heidingsfelder zum Interview mit "Spiegel Online", wo er seine Identität preisgab. Nach einem Streit mit den anderen Aktiven bei Vroniplag arbeitet er derzeit nicht für die Plattform.

(RP)
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