António Guterres "Wir rechnen für 2015 mit noch mehr Leid"

Der UN-Flüchtlingskommissar befürchtet in diesem Jahr noch mehr globale Krisen und Kriege.

Herr Guterres, nach Ihren Berechnungen waren 2014 mehr als 51 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Unterdrückung. Befürchten Sie für 2015 eine weitere Verschärfung der Krise?

Guterres Ja. Leider sind wir tief davon überzeugt, dass die Lage sich weiter verschlimmert, bevor sie hoffentlich einmal wieder besser wird. Wir rechnen mit noch mehr menschlichem Leid und Elend in diesem Jahr.

Warum?

Guterres Die vielen andauernden Konflikte wie in Syrien oder dem Südsudan drohen komplexer zu werden und weitere Menschen in die Flucht zu zwingen. Zudem befürchte ich für 2015 den Beginn neuer Kriege. Noch mehr Männer, Frauen und Kinder werden dann ihre Heimat verlassen müssen.

Warum lässt die Weltgemeinschaft das alles zu?

Guterres Die Fähigkeit der Weltgemeinschaft, die Entstehung von Konflikten zu verhindern und ausgebrochene Kriege zu beenden, ist sehr begrenzt. Es mangelt an einer globalen Lenkung. Der Uno-Sicherheitsrat, das höchste Entscheidungsgremium der Weltorganisation, ist in vielen Fällen gelähmt. Ich sehe keine Zeichen einer Besserung.

Von den reichen Staaten hat Deutschland die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen.

Guterres Deutschland hat einen außergewöhnlich großzügigen Beitrag geleistet. Wenn alle entwickelten Länder wie Deutschland gehandelt hätten, wären viel weniger Syrer in einer dramatischen Lage als heute. Wir sind sehr dankbar.

Zurzeit wird in Deutschland gegen Flüchtlinge und eine angebliche Islamisierung Stimmung gemacht. Was halten Sie davon?

Guterres Alle Gesellschaften der Welt werden vielfältiger. Die Menschen sollten diese Entwicklung als Bereicherung und nicht als Bedrohung begreifen. Sie sollten auch zwischen dem Islam als Religion und islamistischen Fanatikern unterscheiden. Terrororganisationen wie der "Islamische Staat" repräsentieren nicht den Islam.

J. D. HERBERMANN STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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