Politisch Inkorrekt Wir nehmen die Menschen ernst – ja, hoffentlich!

Im neuen Jahr werden wir alle wieder aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Wir sollten die Kandidaten dieses Mal nicht mit Sprechblasen und bunten Bildchen davonkommen lassen.

In vier Tagen beginnt ein neues Jahr, und wie immer gibt es ein paar Dinge, die ich mir vornehme. Gesünder leben, zum Beispiel. Sport treiben, fünf Kilo abnehmen und weniger Zigarillos rauchen – freiwillig, nicht weil eine Ministerin mir das verbieten will. Aber ich habe auch einen Wunsch. Ich wünsche mir für 2013 einen Bundestagswahlkampf ohne Politiker-Sprech und das übliche Blabla.

Als vor einigen Wochen die CDU ihren Bundesparteitag veranstaltete, wurde die Parteivorsitzende Angela Merkel im Fernsehen interviewt. Claus Kleber vom ZDF stellte eine listige Frage. Er wollte wissen, was Merkel einem Wähler sagen würde, der fragt, was ihre Partei inhaltlich von den anderen klar unterscheide. Und was sagt die Vorsitzende? "Wir nehmen die Menschen ernst..." Das sind Augenblicke, in denen ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. Vielleicht muss man ja im Ungefähren schwimmen, um populär zu sein. Ich kann es nicht mehr hören. Nehmen SPD, FDP und Grüne "die Menschen" nicht ernst? Jeder, der irgendwann mit Politik angefangen hat, folgte einer Überzeugung. Für irgendetwas, mehr Staat oder weniger Staat, mehr Öko oder mehr im Portemonnaie, mehr gemeinsames Lernen oder mehr Elite. Und wenn ich im September wählen soll, will ich wissen, was unsere Parteien mit meiner Stimme vorhaben.

Asymmetrische Demobilisierung – so nennen Parteistrategen ein Konzept, das darauf zielt, möglichst wenig Konkretes zu sagen, um die Anhänger konkurrierender Parteien einzulullen, damit sie möglichst gar nicht wählen. Das ist Zynismus pur, hat aber schon funktioniert. Ich persönlich stehe 2013 für strategisches Wählen nicht mehr zu Verfügung.

Ich will von meinen Kandidaten wissen: Wie viel Europa wollen wir in Zukunft? Wie teuer wird die Energiewende? Wollen wir ein integriertes Bildungssystem oder mehr Leistungsdruck? Werden unsere Soldaten Ende 2014 aus Afghanistan zurück sein? Vor allem: Wird endlich mehr für Familien mit Kindern getan, als staatliche Verwahrangebote auszuweiten? Seit 35 Jahren habe ich keine Wahl verpasst. In den ersten Jahren habe ich streng nach grundsätzlichen Überzeugungen gewählt, danach oft strategisch.

Heute wähle ich nach Inhalten. Nur noch. Wir nehmen die Menschen ernst, wir wünschen schönen Urlaub, wir machen Druck – dieses ganze Blabla kann und will ich nicht mehr ertragen. Kennen Sie die TV-Werbung einer Bank, in der jemand sagt: "Nehmen Sie ihr Geld in die eigene Hand! Ist ganz einfach..."? Mein Rat an Sie alle: Nehmen Sie Ihr Wahlrecht ernst! Ist ganz einfach....

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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