Wilders' Anti-Euro-Wahlkampf

Rotterdam Aus den Lautsprechern dröhnt "Eye of the Tiger". Rechtspopulist Geert Wilders liebt den Titelsong aus Sylvester Stallones Kult-Film "Rocky III". Wie ein Boxheld beim Einmarsch zum Kampf lässt sich der Chef der Freiheitspartei PVV feiern, als er die in blau-weiß-rotes Licht getauchte Bühne in Rotterdam erklimmt – die Farben der niederländischen Nationalfahne. Dann attackiert der Provokateur mit der wasserstoffblonden Mozart-Mähne frontal seinen "Feind". Und der heißt: Europa.

Brüssel sei schuld daran, dass die Niederlande sich kaputtsparten und die Oma ihren Rollator nicht mehr von der Krankenkasse bekomme. Alles nur, damit Pleite-Staaten mit holländischen Milliarden über Wasser gehalten werden könnten. "Brüssel ist ein undemokratisches Monster, ein Vampir, der uns leersaugt, bis wir eine unbedeutende Provinz im großeuropäischen Reich sind", ruft der 48-jährige Venloer in den Saal des Rotterdamer Kongresszentrums. Beifall brandet auf, Hunderte Anhänger winken mit holländischen Flaggen. Die Wahl am 12. September werde der "Tag der Befreiung" aus Brüsseler "Sklaverei". "Raus aus der EU, raus aus dem Euro": Das ist Wilders' zentrale Botschaft. Auch der Fernseh-Spot von Wilders' PVV dreht sich alleine um die EU. Zu düsterer Katastrophenfilmmusik werden darin Bilder von Kommission, EU-Parlament und Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs gezeigt. Europa wird zum Sündenbock für alle Probleme des Polderlandes abgestempelt: 10 000 Euro Risiko pro Niederländer für die Euro-Rettung, sieben Milliarden Euro jährliche Kosten für den EU-Haushalt und ebenso hohe Lasten durch Einwanderung, weil Brüssel die Niederlande zu offenen Grenzen zwinge. Das ist Wilders' Rechnung für das "gescheiterte Europa-Experiment". Mark Rutte sei der Premier der "Blankoschecks", der die Niederlande zum "Ausverkauf" freigebe, wettert der Populist, der den Koran verbieten und einen Einwanderungsstopp für Muslime verhängen will. Weil seine Anti-Islam-Tiraden sich abgenutzt haben, will Wilders nun als "Befreier vom Brüsseler Joch" Stimmen sammeln.

Nicht als Einziger: Auch der in Umfragen vor Premier Ruttes Liberalen führende Linkspopulist Emile Roemer (SP) liebt Anti-Brüssel-Tiraden. Von EU- und Euro-Ausstieg ist dabei allerdings keine Rede. Wilders liegt laut Demoskopen derzeit gleichauf mit den Sozialdemokraten auf Rang drei in der Wählergunst, könnte also bei der Regierungsbildung eine Rolle spielen.

In seinem Wahlprogramm geißelt er die EU als "totalitäres" System, seine eigene Partei führt er jedoch höchst autoritär: Beim Wahlkampfauftakt dürfen Journalisten nicht mit den Anhängern sprechen. Wer den Wahlkampfauftakt live erleben will, muss drei Stunden an den Sicherheitsschleusen warten – der Saal ist am Ende nur halb gefüllt, weil viele Parteigänger vom Warten zermürbt wieder heimfahren.

(RP)
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