Analyse Wenn die Wirtschaft Politiker einkauft

Berlin · Eckart von Klaeden wechselt aus Merkels Machtzentrale direkt auf den Job als Daimler-Lobbyist. Die Liste prominenter Politiker, die das vor ihm gemacht haben, ist lang und die Aufregung ist groß.

Wer in Deutschland Top-Verantwortung in der Politik übernimmt, der hebt die Hand zum Eid und schwört, den Nutzen des deutschen Volkes mehren zu wollen. Jeder Abgeordnete ist nur seinem Gewissen und keinem Auftrag verpflichtet. Die Verfassung will also den Anti-Lobbyisten im Amt. Umso größer ist die Aufregung, wenn Prominente ihre Karriere in der Politik nutzen, um in der Wirtschaft abzusahnen. Besonders wenn es nahtlos vom Gemeinwohl zum Konzernwohl und zur Mehrung des eigenen Kontos übergeht.

Das ist dann problematisch, wenn Politiker im Amt ihre eigene lukrative Anschlussverwendung begünstigen. Ex-FDP-Chef Martin Bangemann hat das stets abgestritten, aber dass er als EU-Industriekommissar, der die Liberalisierung der europäischen Telefonmärkte vorantrieb, schon zu Amtszeiten seinen Wechsel zu einem der großen Konzerne des europäischen Telefonmarktes einfädelte, hatte so viel Geschmäckle, dass sich die EU-Kommission danach einen Ehrenkodex gab.

Auch Altkanzler Gerhard Schröder wurde vorgehalten, durch seine Politik das Ostseepipeline-Projekt wahrscheinlicher gemacht zu haben, für das er kurz nach seinem Ausscheiden aus der Politik Verantwortung übernahm. Das Originelle an dieser Verpflichtung: Während der SPD-Kanzler Schröder sich für die Nord-Pipeline ins Zeug legt, heuerte Grünen-Vizekanzler Joschka Fischer beim Konkurrenten der Süd-Pipeline an. Dass der einstige Grünen-Star heute die Siemens AG berät, die immerhin alle deutschen Atomkraftwerke gebaut hat, hätte sich die Anti-Atompartei früher nie vorstellen können.

Aber vielleicht hat das eine ja auch mit dem anderen zu tun. Für Siemens ist die Atomsparte jedenfalls Geschichte. Und warum soll ein Unternehmen, das sich andauernd von der Politik erzählen lassen muss, was es im Grunde besser machen könnte, dem einen oder anderen Politiker nicht sagen: Bitte, dann zeig es uns? So versteht auch Gunda Röstel, einstige Grünen-Chefin, ihren Job bei Gelsenwasser. Sie macht seit anderthalb Jahrzehnten nachhaltige ökologische Versorgung profitabel.

In den USA ist der Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft wesentlich ausgeprägter. Es gehört zum guten Ton, sich zwischenzeitlich auch als Manager mit Millionen-Bezügen für eher symbolische Abfindungen in den Dienst des Staates zu stellen und dann wieder zurück zu wechseln. Ein typisches Beispiel ist der Banker Philip Murphy, der als US-Botschafter in Berlin eine gute Figur machte und nach dem Obama-Besuch Mitte Juni wieder ausscheidet.

Einige Wechsel dieser Art gibt es auch in Deutschland. Die CDU-Politikerin Cornelia Yzer war Forschungs-Staatssekretärin der Regierung Kohl, bis sie 1997 Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller wurde. Inzwischen ist sie von der Wirtschaft in die Politik zurückgewechselt und macht als Wirtschaftssenatorin in Berlin mit frischen Ideen von sich reden.

Sozialdemokraten können das auch: Thomas Mirow war Mitarbeiter von SPD-Chef Willy Brandt, arbeitete für den Hamburger SPD-Senat, wechselte dann zu Ernst & Young, als Finanzstaatssekretär in Berlin wieder zurück in die Politik und ist nun wiederum Aufsichtsratschef der HSH Nordbank.

Dennoch: Allzu große thematische Nähe muss immer wieder aufhorchen lassen. Wenn die SPD-Landesgesundheitsministerin Birgit Fischer bei der Barmer Ersatzkasse durchstartet und dann beim Verband forschender Arzneimittelhersteller landet, ist das ein bemerkenswertes Surfen auf den Wogen des milliardenschweren Haifischbeckens Gesundheitssystem. Und wenn der Süßwarenkonzern Mars mit dem Grünen Matthias Berninger einen ehemaligen Verbraucherschutz-Staatssekretär als Lobbyist verpflichtet, dann setzt er nicht nur auf die Erwartung, mit dessen Hilfe sein Image beim Verbraucher zu verbessern, sondern dann will er auch jemanden, der die Türen kennt, an die man klopfen muss — und die sich auch tatsächlich öffnen.

So hat das inzwischen Tradition bei den Staatsministern im Kanzleramt. Hans Martin Bury von der SPD hatte vor seinem Wechsel in die Banken-Welt (und mit einem Zwischenstopp im Auswärtigen Amt) den Job, den Eckart von Klaeden nun wahrnimmt. Und auch Hildegard Müller von der CDU war Staatsministerin in Merkels Kanzleramt, bevor sie als Lobbyistin in die Energiebranche ging. Von Klaeden ist derzeit noch für vieles zuständig, nicht jedoch für die Autoindustrie. Insofern sieht auch Merkel kein Problem damit, dass "Ecki" zu Daimler geht. Pflichtbewusst will er als Verantwortlicher für die Kontakte zu den Ländern erst noch bis zur Bundesratssitzung am 20. September im Amt bleiben, bevor er seine Chefin um die Entlassungspapiere bittet. Seine Versorgungsansprüche will er nicht mitnehmen.

Der Posten bei Daimler wird nur deshalb für von Klaeden frei, weil der derzeitige Chef-Lobbyist Martin Jäger in die Politik wechselt. Er wird Deutschlands Botschafter in Afghanistan. Damit schließt sich für ihn ein Kreis. Denn vor seinem Wechsel in die Wirtschaft war er schon in der Politik — als Außenamtssprecher unter SPD-Minister Frank-Walter Steinmeier.

(RP/caf)
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