Berliner Republik Wenn der Bodomörder zuschlägt
Einiges spricht dafür, dass Bodo Ramelow nicht der erste Ministerpräsident der Linken wird. Falls seine Wahl scheitert, hat aber paradoxerweise die CDU ein Problem.
Die Wahl des Ministerpräsidenten von Thüringen am Freitag hat das Zeug dazu, ein Klassiker unter den Politthrillern der deutschen Nachkriegsgeschichte zu werden. Und wie auch immer dieses Drama ausgehen wird: Hinterher ist die politische Landschaft neu sortiert, das Koalitions-Kartenspiel ganz neu gemischt.
Einiges spricht dafür, dass sich der Traum von Bodo Ramelow nicht erfüllt und er nicht der erste Regierungschef der Linkspartei in einem Bundesland wird. Auch wenn Ramelow wieder und wieder betont, er sei sich seiner 46 Stimmen von Linken, Grünen und Sozialdemokraten gewiss, so geht in der SPD doch die Sage um, es gebe mindestens eine Person unter den Abgeordneten der SPD, die fest vorhabe, Ramelow die entscheidende Stimme zu verweigern, und zwar nicht nach der Methode Wiesbaden, sondern nach der Methode Kiel. In Hessen hatten sich beim Versuch von Andrea Ypsilanti, Ministerpräsidentin einer rot-grünen Landesregierung mit Duldung der Linken zu werden, 2008 vier Sozialdemokraten vorher zu erkennen gegeben: Wir machen da nicht mit. In Schleswig-Holstein gab es bei der Wahl von Heide Simonis 2005 einen, der ihr seine Stimme verweigerte. Bis heute läuft der "Heidemörder" mit seinem Geheimnis umher.
Was also, wenn der Bodomörder in Erfurt zuschlägt? So paradox das klingt: Dann hat die CDU ein Problem. Dann würde Mike Mohring mit Stimmen der AfD gewählt. Damit aber kann die Union einer Frage nicht mehr ausweichen, die sie fürchtet wie die SPD jahrelang die Rote-Socken-Kampagne: Wie hält sie es mit der AfD? Lässt sie sich von ihr mindestens tolerieren, vielleicht sogar im Bund 2017? "Mit denen niemals!" - dieser Satz hätte seine immunisierende Funktion verloren. Was der SPD die Linkspartei, ist der Union dann endgültig die AfD.
Wenn aber kein Bodomörder zuschlägt und SPD und Grüne in Thüringen ein Bündnis mit der Linkspartei eingehen, dann wird auch deren Mantra, "Im Bund auf keinen Fall!", nicht mehr helfen. Denn die Unterscheidung in Bundes- und Landesebene ist künstlich. Entweder eine Partei wird als reif fürs Regieren angesehen, dann gilt das in Bund wie Land. Oder eben nicht. Natürlich zieht eine Thüringer Regierung nicht in einen Krieg. Und natürlich wird in Erfurt nicht über das Schicksal der EU und des Euro entschieden. Aber das föderale System ist nicht nur über den Bundesrat so durchlässig, dass diese feinsinnige Unterteilung einer Partei in Land und Bund nicht trägt.
Fazit: Was immer kommenden Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten läuft - der spannendere "Tatort" spielt zwei Tage vorher in Erfurt.
Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero" und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation mit "Cicero". Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de