Noch immer warten 26000 Menschen in Afghanistan auf deutsche Hilfe Die Rettung läuft schleppend

Afghanistan und kein Ende — auf dem Luftweg oder über Land? Nach dem Desaster bei der Evakuierung am Flughafen Kabul hat Deutschland mit einem Charterflug erstmals wieder Afghanen ausgeflogen

 Raus, nur raus aus Afghanistan: Menschen warten mit ihren Unterlagen vor der Passbehörde in Kabul auf Durchlass zum Vorsprechen

Raus, nur raus aus Afghanistan: Menschen warten mit ihren Unterlagen vor der Passbehörde in Kabul auf Durchlass zum Vorsprechen

Foto: dpa/Saifurahman Safi

Heiko Maas hat es versprochen. Die Bundesregierung werde alles tun, um jenen Ortskräften und Aktivisten in Afghanistan zu helfen, bei denen sie sich in der Pflicht fühle. Wenige Tage nach Einnahme von Kabul durch die radikal-islamischen Taliban betonte der deutsche Außenminister betont, er wolle aus den Fehlern, „die wir alle gemacht haben, Konsequenzen ziehen und dafür zu sorgen, so viele Leute aus Afghanistan herauszuholen wie möglich“. Ende August hatte Maas dann bei einer viertägigen Reise in die afghanische Nachbarschaft in Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan für eine unbürokratische Einreise deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte in diese Länder geworben. Dabei fehlte nicht der Hinweis, dass Deutschland die Zahl jener Menschen (und ihrer Familien), die man noch raus aus Afghanistan bringen wolle, eng begrenze werde. Zum Abschluss der Reise bat Maas im Golfstaat Katar, das traditionell gute Beziehungen zu den Taliban unterhält, gewissermaßen noch um Luftunterstützung bei der zivilen Evakuierung von Afghanen.

Nun meldet der SPD-Politiker, dass in dieser Woche erstmals wieder 217 Afghaninnen und Afghanen mit einem Charterflugzeug von Pakistan nach Deutschland ausgeflogen werden konnten. Auf dem Luftweg könnten seit einigen Tagen zudem vor allem deutsche Staatsangehörige „mit Hilfe Katars“ ausgeflogen werden. Das ist ein Hoffnungsschimmer. Denn immer noch sind insgesamt rund 26 000 Menschen in Afghanistan, die um ihr Leben fürchten müssen und bei denen die Bundesregierung im Wort steht: knapp 18 000 afghanische Ortskräfte wie etwa Dolmetscher (inklusive ihrer Familien), knapp 7000 besonders Schutzbedürftige (inklusive ihrer Familien), darunter Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, sowie noch etwa 1500 deutsche Staatsbürger. Nimmt man nur jene 900 Menschen, die seit Ende der Luftbrücke Anfang September mit deutscher Hilfe Afghanistan irgendwie noch verlassen konnten, dürfte die Evakuierung dieser 26 000 Personen noch Monate dauern. Besorgniserregend: Die Taliban dürften mit jedem Monat länger an der Regierung ihre Herrschaft festigen und damit den befürchteten Exodus vor allem beruflich qualifizierter Afghanen unterbinden.

Die Hoffnung, dass die Nachbarstaaten Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan nach dem Besuch von Maas ihre Grenzen unbürokratisch für jene Personen (und deren Familien) öffnen würden, die auf Listen des Auswärtigen Amtes (AA) stehen, hat sich bislang nicht erfüllt. Das AA arbeitet inzwischen mit einem „Team Luft“ und einem „Team Land“ daran, die Menschen, die von den Taliban bedroht sind oder gar um ihr Leben fürchten müssen, auszufliegen oder – soweit derzeit überhaupt möglich – auf dem Landweg nach Usbekistan, Tadschikistan oder Pakistan zu bringen. Von dort sollen sie dann nach Deutschland ausgeflogen werden. Doch die Landgrenzen gerade nach Pakistan sind für Afghanen derzeit quasi geschlossen, heißt im Auswärtigen Amt. Deswegen seien aktuell auch keine Teams der deutschen Botschaft unmittelbar an den jeweiligen Grenzen stationiert, die bei der Einreise mit Visa helfen sollten, wie es Maas bei seiner Reise in die Nachbarstaaten angedacht hatte. Die Bundesregierung setzt unter anderem ihre Hoffnung darauf, dass der zivile Teil des Flughafens Kabul bald wieder so funktioniert, dass wieder regelmäßig angeflogen werden kann. Dann könnte auch die bislang eher schleppende Evakuierung wieder Tempo aufnehmen, so die Hoffnung in Berlin.

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