Schönheiten vor dem Grauen geflüchtet Weiter blutige Unruhen in Nigeria
Abuja (rpo). Die Schönen sind vor der Gewalt geflüchtet: Die Bewerberinnen für die Miss-World-Wahl haben Nigeria verlassen. Die blutigen Unruhen aber gehen weiter.
Nach 215 Toten bei den tagelangen blutigen Protesten gegen die Miss-World-Wahl in Nigeria herrschte in der Unruhestadt Kaduna am Sonntag eine strikte Ausgangsperre. Soldaten patrouillierten in den Straßen der Großstadt, wo die Ausschreitungen gegen den Schönheitswettbewerb am vergangen Mittwoch begonnen hatten. Die Gewalt im muslimischen Nordteil des Landes endete auch mit der Verlegung des Miss-Finales nach London nicht. Nach Angaben des Roten Kreuzes sind bisher über 500 Menschen bei den Ausschreitungen verletzt worden, etwa 4000 sind noch auf der Flucht.
Die rund 90 Schönheitsköniginnen sind inzwischen in Großbritannien angekommen. Angie Beasley, Koordinatorin der Miss-Wahl-Vorrunde in England, sprach von Erleichterung: "In Nigeria hätte ja alles Mögliche passieren können. Hauptsache, sie sind wieder in Großbritannien." Von den Kandidatinnen, die nicht mehr an der Miss- Wahl in London am 7. Dezember teilnehmen wollen gab es zum Teil harsche Kritik. Die 23 Jahre alte Miss Dänemark, Masja Juel Rønne sagte in Kopenhagen: "Ich finde es schrecklich, dass so viele Menschen sterben mussten, ehe man den Wettbewerb nach London verlegte."
Seit vergangenem Mittwoch hatten aufgebrachte Moslems im Norden des Landes Kirchen demoliert, Barrikaden errichtet und Christen angegriffen. Das Zentrum der Gewalt war die Großstadt Kaduna. Die Unruhen in dem von religiösen und ethnischen Spannungen zerrissenen westafrikanischen Land ließen erst in der Nacht zu Sonntag allmählich nach, als Sicherheitskräfte eine Ausgangssperre in Kaduna weitgehend durchsetzen konnten. Viele Moslems in Nigeria kritisierten den Schönheitswettbewerb als unmoralisch und gotteslästerlich. Seit der Einführung des islamischen Scharia-Rechts vor zwei Jahren gibt es in der 340 000-Einwohner-Stadt erhebliche Spannungen zwischen Moslems und Christen. Damals starben bei Ausschreitungen 2000 Menschen. Viele Christen verließen darauf die Stadt.
Konkreter Auslöser der Unruhen war ein von Moslems als blasphemisch empfundener Zeitungsartikel. Darin hieß es, selbst der Prophet Mohammed würde möglicherweise eine der Schönheitsköniginnen heiraten. Auch mit wiederholten Entschuldigungen konnte die Zeitung "This Day" die Lage nicht mehr entschärfen. Herausgeber Simon Kolawole wurde nach Angaben der Zeitung festgenommen.
Schaulaufen der Schönheiten
Kommentatoren anderer afrikanischer Staaten übten heftige Kritik an dem geplanten Schaulaufen der Schönheiten in einem Land, in dem islamische Gerichte bereits mehrere Frauen wegen Ehebruchs zum Tode durch Steinigen verurteilt hatten. In einem am Sonntag veröffentlichten Interview appellierte der Generalsekretär des Obersten Rats für Islamische Angelegenheiten, Lateef Adegbite, an die Moslems, "nun zu verzeihen".
In London sagte Miss-Wahl-Sprecher Guy Murray-Bruce der BBC, die Ausschreitungen hätten ihre Ursache nicht in der Veranstaltung. Zudem bekräftigte eine Sprecherin der Miss-World-Gesellschaft, die Show werde genau so stattfinden, wie sie ursprünglich geplant worden sei. Miss-World-Chefin Julia Morley, die Witwe von Eric Morley, der den Wettbewerb 1951 erfunden hatte, erwartete, am Montag den genauen Austragungsort in London bekannt geben zu können. Man hoffe, die "hässlichen Zwischenfälle" jetzt hinter sich lassen zu können.
Nach Ansicht von Morley hat die internationale Presse das Scheitern des Schönheitswettbewerbes in Nigeria provoziert. "Sie versuchen mein Geschäft kaputt zu machen," warf Morley Journalisten in der Hauptstadt Abuja vor ihrer Abreise am Sonntag vor. "Sie haben Nigeria in den Dreck gezogen, sie haben es zugelassen, dass Nigeria gedemütigt wird."