Positive Zeichen aber von Powell und Coats Weißes Haus bleibt verstimmt

Berlin/Warschau/Moskau (rpo). Nach den schweren Störungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis haben beide Seiten erste Signale für einen Abbau der Spannungen ausgesendet. US-Präsidentensprecher Ari Fleischer machte allerdings klar, dass sich die Beziehungen nicht ohne weiteres entspannen würden. "Ich denke, dass niemand überrascht sein sollte, dass Worte und Handlungen Konsequenzen nach sich ziehen und dass sie nach der Wahl nicht einfach nichtig sind", erklärte Fleischer am Dienstag in Washington.

Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) bemühte sich bei einem informellen NATO-Treffen in Warschau um eine Normalisierung der Beziehungen. Struck äußerte Verständnis dafür, dass US- Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach den Hitler-Äußerungen von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) ein persönliches Gespräch mit ihm derzeit ablehne. US-Außenminister Colin Powell sprach in einem russischen Zeitungsinterview von weiterhin engen und guten Beziehungen zwischen den USA und Deutschland.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, erklärte indessen, die Wahlkampf-Äußerungen hätten ein Gefühl von Antiamerikanismus von Seiten eines Verbündeten übermittelt. Es sei das Recht jedes Einzelnen in einer Demokratie, auch deutliche Kritik zu üben. Die führenden deutschen Politiker hätten von diesem Recht Gebrauch gemacht, und nun habe auch das deutsche Volk (bei der Wahl) gesprochen. Die USA würden mit jeder demokratisch gewählten Regierung zusammenarbeiten. Das geschehe auch in diesem Fall. "Aber niemand soll sich der Illusion hingeben, dass nun nach der Wahl alles wieder so wird, wie es war", fügte Fleischer hinzu.

Struck unterbrach seine Teilnahme an dem NATO-Treffen kurzfristig, um an einer SPD-Fraktionssitzung in Berlin teilzunehmen. Dort sagte er, er habe lediglich ein kurzes Gespräch mit Rumsfeld am Vorabend bei einem Empfang des polnischen Staatspräsident Aleksander Kwasniewski in Warschau geführt. In der "etwas aufgeheizten Atmosphäre" in Zusammenhang mit den Äußerungen Däubler-Gmelins habe er Verständnis dafür, dass Rumsfeld "im Augenblick ein bilaterales Gespräch nicht für möglich hält", sagte Struck. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass dieser Zustand noch längere Zeit so andauern werde.

Struck ging davon aus, dass auch die USA akzeptieren, dass das deutsche Volk die rot-grüne Bundesregierung wieder gewählt habe. Wenn der "Pulverdampf" sich erst verzogen habe, werde es auch wieder normale Beziehungen geben. Rumsfeld hatte in Warschau die US-Position bekräftigt, die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien derzeit "vergiftet".

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wurde am Dienstagabend von dem britischen Premierminister Tony Blair zu einem mehrstündigen Gespräch in London empfangen. Dabei sollte es um die Irak-Politik und das von Blair vorgelegte Dossier über irakische Massenvernichtungswaffen gehen. Erwartet wurde, dass Blair eine Vermittlerrolle zwischen Berlin und Washington spielen wird, um die in den USA bestehenden Irritationen zu überwinden.

Struck wollte nach eigenen Angaben den NATO-Ministern in Warschau noch einmal die Irak-Position der Bundesregierung darlegen. Berlin halte einen Militärschlag gegen den Irak nach wie vor für falsch, sagte er. Das Irak-Dossier Blairs kenne er noch nicht.

US-Außenminister Powell sagte in einem Interview der russischen Zeitung "Iswestija" (Dienstag), das deutsch-amerikanische Verhältnis werde trotz der derzeitigen Meinungsverschiedenheiten und Probleme weiter eng bleiben. "Ich denke, das Verhältnis wird in Zukunft noch enger." Zu dem Wahlsieg von Rot-Grün sagte er: "Das deutsche Volk hat das Recht, sich seine Regierung zu wählen. Wir werden die guten Beziehungen zu Deutschland pflegen."

US-Botschafter Daniel Coats nahm unterdessen in Potsdam eine Entschuldigung des brandenburgischen Ministerpräsidenten und SPD- Präsidiumsmitglieds Matthias Platzeck wegen der Irritationen in den deutsch-amerikanischen Beziehungen an. In Washington traf der deutsche Botschafter Wolfgang Ischinger mit dem stellvertretenden US- Außenminister Richard Armitage zusammen. In der 45 Minuten langen Unterredung, die diplomatische Kreise als freundschaftlich beschrieben, sei über "die nächsten Schritte" in den deutsch- amerikanischen Beziehungen gesprochen worden. Ein Termin für einen Besuch von Bundesaußenminister Joschka Fischer in Washington stehe derzeit noch nicht fest.

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler warf den USA vor, im deutschen Wahlkampf massiv Partei für die Union ergriffen zu haben. Amerika habe "wirklich alles getan, um hier die Opposition zu unterstützen", sagte der Parlamentarier im WDR 5. Washington habe "eindeutig" auf Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) gesetzt in der Hoffnung, dass dieser eine andere deutsche Haltung zum Irak-Krieg durchsetzen werde.

(RPO Archiv)
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