Analyse Was Sie über Fracking wissen müssen

Berlin · Die Bundesregierung brütet noch immer über der Kabinettsfassung ihres Fracking-Gesetzespakets. Die einen feiern die umstrittene Gas-Förderung als große Hoffnung, die anderen verteufeln sie als Umweltgefahr.

Umstrittene Energiegewinnung: So funktioniert Fracking
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Foto: afp, DM/jk

Über kaum ein Vorhaben der Bundesregierung wird so heftig gestritten, wie über die geplanten Regeln zur Erdgasgewinnung durch Fracking. Die Debatte ist gleichermaßen geprägt von Ängsten besorgter Bürger und den Interessen profitstrebender Unternehmen.

Was ist Fracking, wie funktioniert es? Hydraulisches Fracking ist eine Technologie zur Gewinnung von Erdgas oder Öl. Beim Fracking wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und Chemikalien in tiefe Schiefer- und Kohleflözgesteinsschichten gepresst. Die Besonderheit: Die Bohrungen verlaufen zunächst senkrecht, in der Tiefe aber horizontal. Die dort verpresste Flüssigkeit erzeugt auf einer großen Fläche Risse im Gestein, durch die etwa Gas entweichen kann.

Hannelore Kraft informiert sich in Kanada über Fracking
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Wird es ein Komplett-Verbot geben? Nein. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betont zwar stets, es werde hohe Hürden für Fracking geben. Ein generelles Verbot, wie es etwa in Frankreich herrscht, lehnt die Koalition mit Verweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Verfassung jedoch ab.

Was soll erlaubt werden? Um juristisch sauber zu sein, wollen Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine rechtliche Grenze bei 3000 Meter Tiefe ziehen. In den Schichten darüber darf es zunächst nur Probebohrungen durch Unternehmen geben, die wissenschaftlich begleitet und von Behörden sowie einer Expertenkommission genehmigt werden müssen. Sind die Probebohrungen erfolgreich, wäre nach einem neuen Genehmigungsverfahren Fracking zu kommerziellen Zwecken möglich - allerdings nur mit wasserungefährlichen Stoffen und realistisch frühestens ab dem Jahr 2019. Unterhalb von 3000 Metern soll Fracking aber generell erlaubt werden. Experten sind sich jedoch nahezu einig, dass die meisten Gasreserven in bis zu 3000 Metern Tiefe liegen, ebenso wie wasserführende Schichten.

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Foto: dpa, Stringer

Wo ist Fracking ausgeschlossen? Ein Fracking-Verbot soll es für alle Wasser- und Heilquellenschutzgebiete sowie die Einzugsbereiche von Talsperren und Seen geben, die der Trinkwassergewinnung dienen. Das Umweltministerium will zudem auch in privaten Gewinnungsgebieten mit Brauerei- oder Mineralbrunnen Fracking verbieten. Grundsätzlich müssen die Länder solche Gebiete ausweisen. Umweltverbände monieren, dass mit dieser Definition drei Viertel des Bundesgebietes für Fracking freigegeben würden.

Wie gefährlich sind die eingesetzten Chemikalien? Unternehmen, die an Fracking interessiert sind, etwa der Gasförderer Exxon-Mobil, betonen die Ungefährlichkeit der Frackflüssigkeit. In der ARD-Sendung "Panorama" tranken Ingenieure des Konzerns sogar einen Becher des Gemischs. Kritiker beeindruckt das nicht. Sie fürchten eine Verunreinigung von Trink- und Grundwasser. Nach den Plänen der Regierung dürfen bis zu einer Tiefe von 3000 Metern nur Frackflüssigkeiten eingesetzt werden, die überhaupt nicht wassergefährdend sind, in tieferen Schichten nur schwach wassergefährdende Stoffe. Die Grenzwerte sind bereits in anderen Verordnungen geregelt. Als schwach wassergefährdend gelten demnach Stoffe wie Essigsäure, Alkohol oder Jod.

Gibt es gesicherte Erkenntnisse über drohende Umweltschäden? In der Debatte sind zahlreiche Studien sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern vorgelegt worden. Kritiker verweisen dabei auf Unfälle, die es bei der konventionellen Erdgasförderung in Niedersachsen gegeben hat. Demnach seien zum Beispiel vermehrt Erdbeben aufgetreten. Bürgerinitiativen kritisieren, dass es bisher keine Aufarbeitung dieser Erfahrungen gegeben habe. Klar ist aber, dass die beim Fracking entstehenden Abwässer und das zu Tage geförderte Lagerstättenwasser mit Schadstoffen kontaminiert sind und zu massiven Umweltschäden führen könnten. Eine entscheidende Frage auf dem Weg zum Gesetz ist also, was Unternehmen mit dem Wasser machen müssen. Nach derzeitigem Verhandlungsstand wird das Versenken des schadstoffbelasteten Lagerstättenwassers verboten, außer in den Tiefen, aus denen es stammt.

Warum glauben Unternehmen, dass sich Fracking überhaupt lohnen kann? Deutschland verfügt durchaus über nennenswerte Vorkommen an Schiefergas. Schätzungen des Instituts IHS gehen von bis zu einer Billion Kubikmeter aus, etwa 20 bis 30 Milliarden Kubikmeter ließen sich davon pro Jahr fördern, so die Experten. Das entspräche bis zu einem Drittel der jährlichen Versorgung Deutschlands. Die neue Bohrtechnik des Frackings macht es für die Unternehmen zudem profitabler, an die tiefen Schichten zu gelangen. Befürworter argumentieren in diesem Zusammenhang auch mit einer größeren Unabhängigkeit etwa von russischen Gaslieferungen und prognostizieren fallende Energiepreise für Verbraucher.

Welche Erfahrungen machen die USA? Tatsächlich hat der Fracking-Boom in den USA den dortigen Energiemarkt völlig umgekrempelt, auch weil große Mengen Öl mit der umstrittenen Methode gewonnen werden. Die Folge: drastische Preisstürze bei Öl und Gas. Gleichzeitig gibt es in den USA viele kritische Stimmen, die etwa Erdbeben in den Bundesstaaten Ohio und Oklahoma auf den Einsatz der Fracking-Technologie zurückführen. Für Schreckensmeldungen sorgte auch eine Szene aus dem US-Dokumentarfilm "Gasland", die brennendes Gas aus Wasserhähnen zeigte. Allerdings stellte sich heraus, dass diese Bilder manipuliert waren und mit Fracking nichts zu tun hatten.

Welchen Zeitplan gibt es für das Gesetz? Nach Informationen unserer Zeitung aus Fraktionskreisen wurde die einst für morgen geplante Kabinettsbefassung auf Mittwoch kommender Woche verschoben. Nach alter Planung hätte der Bundestag das Gesetzpaket am 18. Juni 2015 verabschieden sollen. Ob der Termin eingehalten werden kann, ist offen.

(jd)
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