Kolumne „Gesellschaftskunde“ Vom Zwang, sich zu mögen

Düsseldorf · Nur wer sich mag, wird auch gemocht, heißt es. Doch das erzeugt falschen Druck.

 Eine Frau lächelt für ein Selfie (Symbolfoto).

Eine Frau lächelt für ein Selfie (Symbolfoto).

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Es ist schon bemerkenswert, dass wir einerseits in einer Zeit leben, die stark unter Narzissmus-Verdacht steht. Viele Menschen sind in den sozialen Medien aktiv, gestalten dort ein Bild von sich selbst. Dazu ist nicht allein das Aussehen wichtig. Es zählen auch die Dinge, die man leistet oder die man sich gönnt: das besondere Essen, der sportliche Erfolg, der ungewöhnliche Urlaub. All das möglichst effektvoll zu inszenieren, bedeutet, dass die Leute mit sich selbst beschäftigt sind. Da ist die Narzissmus-Diagnose, die krankhafte Selbstverliebtheit als gesellschaftliches Phänomen, schnell gestellt.

Zugleich gehört es zu den gängigen Ratgeber-Weisheiten, dass nur Menschen, die sich selbst mögen, von anderen geliebt würden. Zumindest wird das ständig in jenen Selbsthilfe-Anleitungen behauptet, die dann soundsoviel Schritte zur Selbstliebe empfehlen. Da heißt es dann, dass man sich selbst ein guter Freund sein und sich nicht durch negative Gedanken bestrafen solle. Oder dass man Geduld mit sich selbst und Nachsicht gegenüber eigenen Fehlern üben solle. Natürlich sind das die richtigen Empfehlungen, denn negative Gedanken haben auch negative Wirkung, und viele Menschen sind so sehr auf Bewertung und Kritik eingestellt, dass sie auch an sich selbst kein gutes Haar mehr lassen.

Doch ist die Vorstellung beängstigend, man sei nur liebenswert, wenn man innerlich gut drauf und ganz im Einklang mit sich selbst ist. Sie spiegelt genau jenen Perfektionismuswahn, der Menschen in krankhafte Eigenliebe oder Selbsthass drängt. Manchmal mag man sich, manchmal nicht, so ist das bei den Meisten. Dieses Auf und Ab darf man gelassen zulassen, es macht den Menschen zur Persönlichkeit und in den meisten Fällen liebenswert.

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