Was andere Staaten an Sozialhilfe zahlen

Wie sieht die staatliche Unterstützung arbeitsloser oder sozial hilfsbedürftiger Menschen in den USA und anderen europäischen Staaten aus? Unsere Korrespondenten geben einen Überblick:

Schweden

Ein Schwede, der seine Arbeit verliert, erhält in den ersten 300 Tagen eine Unterstützung von bis zu 80 Prozent seines letzten Gehalts, maximal 60 Euro am Tag (zum Vergleich: ein deutscher Arbeitsloser hat 18 Monate lang Anspruch auf 67 oder 61 Prozent, je nachdem, ob er Kinder hat oder nicht). Am 301. Tag folgt die Sozialhilfe. Ein persönlicher Fallmanager hilft bei der Suche nach Arbeit. Wer Langzeitarbeitslose beschäftigt, kann bis zu 100 Prozent des Lohns erstattet bekommen. Der Sozialhilfesatz liegt für Alleinstehende bei rund 450 bis 550 Euro, Zuschläge und Wohngeld nicht eingerechnet. Anders als in Deutschland erhalten Sozialhilfeempfänger Kindergeld.

Frankreich

Das Arbeitslosengeld erhält in Frankreich für wenigstens sechs Monate jeder, der in den drei Jahren vor der Erwerbslosigkeit mindestens 360 Kalendertage sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Bei älteren Menschen kann die Anspruchsdauer auf bis zu 32 Monate verlängert werden. Allerdings droht fast einer Million Franzosen in diesem Jahr der Verlust ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Auch Sozialhilfe können fast nur noch Alleinstehende oder Arbeitslose erhalten, deren Partner kein oder nur ein geringes Einkommen bezieht. Alleinstehende erhalten 448 Euro monatlich, Paare 672 Euro. Mit einem Kind erhöht sich der Satz auf 806 Euro, mit zwei Kindern auf 941 Euro. Anspruch haben allerdings nur Bedürftige, die älter als 25 Jahre sind. Für die Jüngeren soll die eigene Familie aufkommen. Grundsätzlich verpflichtet der Bezug von Sozialhilfe zur Arbeitssuche.

Großbritannien

Arbeitslose Briten im Alter zwischen 16 und 60 (Frauen) oder 65 Jahren (Männer) haben Anspruch auf "Beihilfe zur Arbeitssuche". In der ersten Stufe werden sechs Monate lang maximal 204 Pfund (234 Euro) für 16- bis 24-Jährige und 257 Pfund (295 Euro) für 25- bis 65-Jährige gezahlt. Nach Ablauf eines halben Jahres kann der Arbeitslose Beihilfe der Stufe 2 beantragen. Voraussetzung ist, dass er nachweisbar Arbeit sucht. Dazu müssen die Briten Verträge mit Jobcentern abschließen, in denen sie sich alle zwei Wochen beraten lassen. Die Empfänger des Arbeitslosengeldes müssen Stellenangebote annehmen. Wer Rat oder Arbeit ablehnt, bekommt die Staatshilfe gekürzt. Sozialhilfe-Zahlungen orientieren sich an der ersten Beihilfe-Stufe für Arbeitslose. Die "Einkommensunterstützung" kann durch Haushaltsgeld und andere Hilfen aufgestockt werden.

Niederlande

In Rotterdams Supermärkten packen immer öfter Sozialhilfeempfänger Kunden die Tüten. "Erst die Arbeit, dann die Stütze", lautet das oberste Gebot in den Niederlanden. Kommunen dürfen Sozialhilfe-Empfänger zur Arbeit verpflichten. Als Vorzeige-Beispiel gilt Rotterdam, das vom marokkanisch-stämmigen Sozialdemokraten Ahmed Aboutaleb regiert wird: Wer sich hier der Aufforderung vom Sozialamt verweigert, bei der Stadt als Straßenkehrer anzutreten, dem wird kurzerhand die Leistung gestrichen. Für die städtische Telefonzentrale der Stadt vermitteln Sozialhilfe-Empfängerinnen die Gespräche und können währenddessen in ihren Wohnungen auf ihre Kinder aufpassen. Der Sozialhilfe-Regelsatz beträgt für Singles über 21 Jahre 641,93 Euro, für Alleinerziehende 898,70 Euro und für Verheiratete 1283,86 Euro. Alleinstehende Jugendliche unter 21 Jahre erhalten 221,81 Euro.

USA

Arbeitslosigkeit bedeutet in den USA oft sofortige Not. Wie hoch das Arbeitslosengeld ist, bestimmen die 50 Bundesstaaten, nicht Washington. In Mississippi liegt es bei höchstens 230 Dollar pro Woche, egal was man vorher verdient hat. Am großzügigsten ist Massachusetts, wo bis zu 942 Dollar gezahlt werden. Um die Folgen der Rezession etwas abzufedern, hat der Kongress in Washington die Anspruchsdauer verlängert. In den meisten US-Staaten werden normalerweise nur 26 Wochen "unemployment benefits" gezahlt. Jetzt sind es maximal 99 Wochen. Wer nur einen Teilzeitjob hatte oder sich als Selbstständiger durchschlagen musste, geht in der Regel leer aus. Beiträge für die Arbeitslosenversicherung werden, mit Ausnahme von drei Bundesstaaten, allein vom Arbeitgeber gezahlt. Laufen die Leistungen aus, greift – neben den weit verbreiteten Lebensmittelkarten – die Sozialhilfe. Die wiederum ist auf fünf Jahre begrenzt. Im Vordergrund stand und steht das Bemühen, rasch neue Arbeit zu finden. Wer keine Arbeit sucht und sich nicht regelmäßig beraten und schulen lässt, bekommt nichts.

Russland

Ein Russe, der seinen Arbeitsplatz verliert, erhält in den ersten drei Monaten nach der Kündigung 75 Prozent seines Gehaltes. Danach gibt es maximal 4900 Rubel pro Monat – umgerechnet sind das 120 Euro. Zieht sich die Arbeitslosigkeit länger als ein Jahr hin, verringern sich die Zahlungen im Folgejahr auf 21 Euro pro Monat. Danach gibt es gar keine Unterstützung mehr. Sozialhilfe im eigentlichen Sinne erhalten in Russland nur Behinderte, alleinerziehende Mütter, kinderreiche und einkommensschwache Familien sowie alte Menschen mit Mini-Renten. Eine Alleinerziehende in Moskau erhält monatlich umgerechnet 41 Euro – für ihr Kind. Für ihren eigenen Unterhalt muss sie selber sorgen. Das offizielle Existenzminimum in Moskau lag Ende 2009 bei umgerechnet 182 Euro pro Kopf. Der Löwenanteil der Unterstützung für sozial Schwache erfolgt in Form von Sachleistungen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort