Analyse Warum ist Zypern in der Krise?

Berlin/Brüssel · Bis zur letzten Minute ringt die Euro-Zone mit dem kleinen Mittelmeerstaat um Gegenleistungen für ein Zehn-Milliarden-Euro-Hilfspaket. Da keine russische Hilfe zu erwarten ist, ist ein Einlenken der Zyprer denkbar.

Eine hektische Krisendiplomatie hat das Wochenende in Brüssel beherrscht — der Ausgang der intensiven Verhandlungen der Euro-Gruppe mit Zypern blieb lange ungewiss. Nur widerwillig schien die zyprische Regierung zu Zugeständnissen bereit zu sein. Die Zeit rann den Verhandlern durch die Finger, denn nur noch bis einschließlich heute hatte der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) Zypern zugesagt, seine de facto insolventen Banken weiter mit Notkrediten zu versorgen. Voraussetzung dafür sei ein Rettungsplan gegen die Staatspleite. Ohne die Einigung mit der Euro-Zone über ein zehn Milliarden Euro schweres Hilfspaket droht Zypern der Bankrott.

Warum ist Zypern in der Krise?

Zypern ist bisher eine Steueroase für Unternehmen und (Schwarzgeld-)Anleger aus aller Welt, die auf eine laxe Finanzaufsicht hoffen können. Auf den Konten zyprischer Banken liegen knapp 70 Milliarden Euro, mehr als das Dreifache der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Den Anlegern wurden hohe Renditen versprochen, die die Banken nicht mehr erwirtschaften konnten. Im Zuge des griechischen Schuldenschnittes etwa verloren sie Milliarden. Nun ist der Staat überfordert, seine Pleitebanken aus eigener Kraft zu stützen.

Welche Folgen hätte ein Staatsbankrott Zyperns für unser Geld?

Wer auf der kleinen Mittelmeerinsel Geld angelegt hat, würde es im Falle der Staatspleite zum großen Teil verlieren. Von den rund 70 Milliarden Euro Einlagen auf zyprischen Banken gehört etwa die Hälfte ausländischen Kontoinhabern — vor allem Russen und Briten, jedoch auch Deutschen. Für den Pensionsfonds für Beamte hat etwa auch das Land Brandenburg 1,9 Millionen Euro in zyprischen Staatsanleihen angelegt.

Einen kaum mehr zu kontrollierenden Dominoeffekt für Banken in anderen Ländern erwarten Experten jedoch nicht. "Ausländische Banken haben gegenüber Zypern lediglich Forderungen in Höhe von gut 50 Milliarden Euro", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Das könne das System verkraften. Filialen zyprischer Banken in Griechenland mit Einlagen von rund 14 Milliarden Euro wurden bereits von griechischen Banken übernommen, um dort eine Ansteckung auszuschließen. Die EZB könnte mit Kurzkrediten Institute in Südeuropa kurzfristig stabilisieren. Ökonomisch halten Experten den Effekt einer Pleite Zyperns für beherrschbar. Zypern stehe für nur 0,2 Prozent der Wirtschaft im Euro-Raum.

Welcher Rettungsplan der Euro-Gruppe zeichnet sich aktuell ab?

Die internationalen Geldgeber wollen Zypern bisher ein zehn Milliarden Euro schweres Rettungspaket gewähren. Aber nur dann, wenn das Land einen Eigenbeitrag von 6,7 Milliarden zu seiner Sanierung leistet. Davon sollen 1,1 Milliarden Euro aus Steuererhöhungen kommen. Haupt-Streitpunkt war bis zuletzt eine Zwangsabgabe auf Sparguthaben. Bei der Cyprus Bank, wo russische Oligarchen Milliarden geparkt haben, könnten auf Guthaben über 100 000 Euro nun 20 Prozent Zwangsabgabe fällig werden. Für alle anderen Banken sind derzeit vier Prozent oberhalb dieser Schwelle geplant.

Zudem soll das zweitgrößte Geldinstitut Zyperns, die Laiki Bank, nach deutschem Muster in eine gesunde und eine "Bad Bank" aufgespalten werden. Wer bei dieser Bank Geld angelegt hat, könnte im Zuge ihrer Abwicklung alles verlieren. Darüber hinaus ist ein nationaler Solidaritätsfonds geplant, der aus der Pensionskasse, von der orthodoxen Kirche und durch künftige Einnahmen aus Gasvorkommen vor der zyprischen Küste gefüllt werden und Anleihen ausgeben soll. Die Euro-Gruppe lehnt eine Verpfändung künftiger Rentenansprüche der Zyprer allerdings strikt ab.

Warum lehnte die Euro-Gruppe eine Zwangsabgabe für Kleinsparer ab?

Ursprünglich wollte Zypern auch Kleinsparer heranziehen. Vorgesehen war eine Zwangsabgabe auf Einlagen zwischen 20 000 und 100 000 Euro von 6,75 Prozent, weil sich Nikosia weigerte, reiche ausländische Anleger mit mehr als 9,9 Prozent zu belasten. Das bisherige Geschäftsmodell als vermeintlich sicherer Hafen für reiche Anleger wollte Nikosia unbedingt retten. In der EU gilt aber eine staatliche Einlagensicherung für Guthaben bis 100 000 Euro. Diese Regel wäre in Zypern erstmals verletzt worden, weshalb eine Welle der Entrüstung ausbrach. Nur eine Schließung der Institute konnte einen Sturm auf die Banken verhindern. Es bestand die Gefahr, dass die Menschen auch in anderen Ländern aus Panik ihre Konten räumen. Die Kanzlerin sah sich gezwungen, erneut zu versichern, dass die Sparguthaben in Deutschland sicher seien.

Was bedeutet das Zypern-Rettungspaket für die deutschen Steuerzahler?

Das Rettungspaket soll Hilfskredite von bis zu zehn Milliarden Euro umfassen. Einen noch unbestimmten Teil will der Internationale Währungsfonds (IWF) übernehmen. Die Hilfen der Euro-Staaten werden vom Rettungsfonds ESM gewährt. Deutschland haftet für ESM-Kredite bis maximal 190 Milliarden Euro. Nikosia muss die Kredite zurückzahlen, der Zinssatz ist noch offen. Erst wenn Zypern nicht zurückzahlt, hätte der Steuerzahler Geld verloren — bis zu 27 Prozent des europäischen Anteils am Hilfspaket für Zypern.

Warum muss Zypern seine Unternehmenssteuern kaum erhöhen?

Irland hatte in Verhandlungen mit der Euro-Gruppe über ein Rettungspaket unlängst durchgesetzt, seinen niedrigen Unternehmenssteuersatz von 12,5 Prozent nicht antasten zu müssen — ein Fehler, den die Euro-Gruppe jetzt bereut. Denn Nikosia will nun denselben geringen Steuersatz.

Wie viel russisches Schwarzgeld liegt auf zyprischen Konten?

Seit Langem halten sich Vorwürfe, Zypern ziehe mit einer lockeren Finanzaufsicht Schwarzgeld an. Zypern bestreitet dies. Ein privates Unternehmen überprüft gerade die Einhaltung der Anti-Geldwäsche-Maßnahmen in der Praxis. Nach einem Bericht des "Handelsblatts" hat der Chef des Bundesnachrichtendienstes in einer vertraulichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestags auf die hohen Schwarzgeldsummen aus Russland bei zyprischen Banken hingewiesen. So seien etwa 40 Prozent der Nettogeldabflüsse aus Russland Schwarzgeld oder "aus Geldwäsche entstanden". Rund 30,8 Milliarden Euro seien 2012 aus Russland abgeflossen, davon ein großer Teil nach Zypern. Dennoch lehnte Russland einen weiteren Hilfskredit für Zypern ab.

Wann entscheidet der Bundestag?

Noch in dieser Woche, voraussichtlich sogar morgen. Nach deutschem Recht muss das Parlament zustimmen, bevor der Bundesfinanzminister in Brüssel grünes Licht geben kann.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort