Hannover Schon wieder Wahlkampf

Hannover · Bei der Landtagswahl in Niedersachsen kämpfen die Parteien auch um die komplizierten Mehrheiten im Bundesrat.

Als der bisherige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann vor der Bundestagswahl ankündigte, die Sozialdemokraten würden bis zur niedersächsischen Landtagswahl nicht sondieren, gab es für ihn Gegenwind aus der Union. Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) erklärte, es sei den Wählern kaum zu vermitteln, "wenn in Berlin in der Zeit des niedersächsischen Wahlkampfs nicht gearbeitet wird".

Nun wird die SPD allerdings überhaupt nicht an Sondierungsverhandlungen über eine neue Bundesregierung teilnehmen - sie hat sich für den Gang in die Opposition entschieden. Jetzt muss im Bund über eine Jamaika-Koalition verhandelt werden. Dennoch wird es vermutlich vor dem 15. Oktober, dem Tag der Neuwahl in Hannover, keine Sondierungsgespräche geben. Dass die Union noch keine Einladungen an die möglichen kleinen Koalitionspartner FDP und Grüne ausgesprochen hat, liegt hauptsächlich aber nicht an der Niedersachsen-Wahl, sondern an dem seit zwei Jahren schwelenden Streit um die Obergrenze für den Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland. Erst am 8. Oktober wollen die Spitzen von CDU und CSU zusammenkommen und über ihren Kurs für das Jamaika-Bündnis beraten.

Für wegweisende Entscheidungen vor dem 15. Oktober wäre die Wahl aber ohnehin zu wichtig. Niedersachsen gehört zu den großen Ländern, das mit mehr als sieben Millionen Einwohnern über die Höchstzahl von sechs Stimmen im Bundesrat verfügt.

Während der Bundesrat in früheren Jahren in der Regel schwarz-gelb oder rot-grün dominiert war, zeigt sich mittlerweile ein kunterbuntes Bild, das es für jede Bundesregierung schwer macht, Mehrheiten für die von der Länderkammer zustimmungspflichtigen Gesetze zu bekommen.

Sollte Niedersachsen eine SPD-geführte Regierung behalten, wird es für ein mögliches Jamaika-Bündnis auf Bundesebene äußerst knifflig, für zustimmungspflichtige Gesetzesvorhaben die Mehrheit zu gewinnen. Wenn sich für die Gesetzgebung dann künftig auf Bundesebene vier Regierungsparteien einigen müssen, um danach eine schwarz-rot-grün dominierte Länderkammer zu überzeugen, wird das Regieren zur Sisyphos-Aufgabe. Den härtesten Job hat in einer solchen Konstellation der Kanzleramtsminister, der erst die Regierungsparteien und dann die Länderinteressen unter einen Hut bringen muss.

Sollte die Farbe in der Staatskanzlei in Hannover von Rot auf Schwarz wechseln, stehen die Chancen auf Einigungen besser. Zwar hätten immer noch Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung eine Stimmenmehrheit im Bundesrat, es müsste aber nur ein kleines schwarz-rot regiertes Land wie das Saarland oder Sachsen auf die Seite der Jamaika-Bundesregierung gezogen werden.

Die Niedersachsen-Wahl ist auch ein Stimmungstest, ob sich der Trend vom vergangenen Sonntag verfestigt. Die Union liegt in den Umfragen nur knapp vor der SPD von Ministerpräsident Stephan Weil. Je näher der Wahltermin rückt, desto mehr Federn muss die CDU lassen, während die AfD zuletzt von sieben auf sechs Prozent rutschte. Wie auch auf Bundesebene wird es voraussichtlich für ein Zweier-Bündnis nur dann reichen, wenn Union und SPD zusammengehen.

Auch eine Jamaika-Koalition hätte eine Chance. Allerdings herrscht zwischen Union und Grünen in Hannover eine vergiftete Atmosphäre. Die vorgezogenen Neuwahlen waren überhaupt erst nötig geworden, nachdem die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten zur CDU übergelaufen war. Weil die Grünen sie bei der Aufstellung ihrer Liste für die Landtagswahl nicht mehr berücksichtigt hatten, war Twesten verärgert. Durch ihren Übertritt in die Fraktion der CDU hatte das rot-grüne Bündnis von Weil die Mehrheit von einer Stimme verloren.

Nun bekämpfen sich CDU und Grüne erbittert. CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann warf den Grünen "Gauland-Rhetorik" vor. Dabei bezog er sich auf eine Äußerung des niedersächsischen Grünen-Chefs Christian Meyer, der bei einem Parteitag im August von "schwarz-gelben Hetzern" gesprochen hatte. Die Rhetorik, so meint Althusmann, mache es unmöglich, mit den Grünen zu koalieren. Zudem wirft er der Partei einen Linksruck vor. Dem Deutschlandfunk sagte Althusmann: "Wir kämpfen ausschließlich für uns."

Auch für die Sozialdemokraten ist die Wahl in Niedersachsen von zentraler Bedeutung - obwohl sie im Bund in die Opposition gehen. Sollte es für die SPD erneut eine Niederlage geben, wird die noch nicht befriedete Debatte um den Parteivorsitz wieder aufbrechen. Unter Parteichef Martin Schulz, dem vormaligen Kanzlerkandidaten, hat die SPD bereits die Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen sowie die Bundestagswahl verloren und zum Teil erhebliche Verluste eingefahren. Die SPD befindet sich bereits wieder im Wahlkampf.

(qua)
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