Deutschland in der Energie-Krise Keine Lichterketten-Scham im Advent!

Meinung | Düsseldorf · Die deutsche Umwelthilfe schlägt vor, in diesem Jahr auf Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten, um Energie zu sparen. Klingt vernünftig. Doch ein entscheidender Faktor wurde nicht bedacht.

 Im vergangenen Jahr lockten auch Lichter die Menschen in die Innenstädte.

Im vergangenen Jahr lockten auch Lichter die Menschen in die Innenstädte.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Energiesparen ist vorerst die wichtigste Selbstschutzstrategie für Bürger und Unternehmen, um mit den extrem gestiegenen Energiekosten fertig zu werden – und etwas gegen den Klimawandel zu tun. Der Vorschlag der Deutschen Umwelthilfe, dieses Jahr auf die Weihnachtsbeleuchtung in Städten und Gemeinden wie auch in Privathaushalten zu verzichten, klingt also erst einmal vernünftig. Lichterketten in den Einkaufsstraßen und Leuchtpyramiden in den Fenstern müssen ja nicht sein. Nicht systemrelevant, könnte man sagen, und die Adventsverdunkelung befürworten.

Doch zum einen sollte die Frage, wer daheim wann welche Lichterkette einschaltet, Privatsache bleiben. Es gibt ja genügend Informationen darüber, wie man beim Beleuchten Energie sparen kann, etwa durch LED-Produkte oder Zeitschaltuhren. Es gibt auch Verbrauchsrechner im Internet, die für den Advent bei Kosten von wenigen Euro landen. Natürlich addiert sich das bei der Vielzahl von Haushalten, aber in einer freien Gesellschaft muss es dem Einzelnen überlassen bleiben, seine Schlüsse zu ziehen. Genauso haben die Städte und Gemeinden längst begonnen, Einsparpotenzial zu suchen. Und da gibt es relevantere Posten als Weihnachtsbaumschmuck in der Innenstadt. Dass manche Geschäfte, manche Privatleute im Advent einem bunten Illuminationswahn verfallen, steht auf einem anderen Blatt. Das war schon immer so hässlich wie verschwenderisch. In diesem Jahr werden sich aber viele Einzelhändler drei Mal überlegen, wie viel sie in Lichterkosten investieren wollen und können – und welches Signal sie dadurch senden. Sie werden aber auch darauf angewiesen sein, Menschen mit ein wenig heimeliger Atmosphäre in die Innenstädte zu locken, um der allgemeinen Depression auch im Konsumverhalten etwas entgegenzusetzen.

Weihnachtsbeleuchtung ist aber vor allem nicht nur eine Energiefrage. Licht ins Dunkel zu bringen, Hoffnung gegen Schwärze zu setzen, berührt viele Menschen – und ist in diesen Zeiten vielleicht nötiger denn je. Darum ist das Maß sicher eine Abwägungssache, aber madig machen sollte man diese Tradition den Menschen nicht. Der Kerzenverkauf hat ja bereits angezogen, vielleicht wird es in diesem Jahr mehr Adventskränze gehen, die nicht mehr gegen ein Blinkeumfeld ankämpfen müssen, sondern still für sich leuchten dürfen. Das wäre schön. Aber Lichterkettenscham sollte es nicht geben.

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