Wolfsburg Justiz ermittelt gegen Winterkorn

Wolfsburg · Die Staatsanwaltschaft Braunschweig leitet ein Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Chef von Volkswagen ein. Vom Abgas-Skandal sind auch 2,1 Millionen Audi und 1,2 Millionen Skoda betroffen.

Im Skandal um manipulierte Abgaswerte gerät Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn ins Visier der Ermittler. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig leitete wegen Betrugsverdacht förmliche Untersuchungen gegen den 68-Jährigen ein. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liege auf dem Vorwurf, dass Fahrzeuge mit manipulierten Abgaswerten verkauft worden seien, so die Behörde. Winterkorn war am Mittwoch zurückgetreten. Zuvor hatte er den Betrug durch VW zugegeben und dafür um Entschuldigung gebeten.

Weltweit sind bis zu elf Millionen Diesel-Fahrzeuge von dem Skandal betroffen. Allein von der Marke Volkswagen sind es fünf Millionen, davon nach einem Bericht der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" wiederum 1,8 Millionen leichte Nutzfahrzeuge. Bei Audi sind 2,1 Millionen Fahrzeuge betroffen und bei Skoda 1,2 Millionen, wie die Unternehmen mitteilten.

Das Kraftfahrt-Bundesamt hat Volkswagen bis zum 7. Oktober eine Frist gesetzt. Bis dahin sollen die Wolfsburger einen konkreten Plan vorlegen, wann ihre Fahrzeuge ohne manipulierte Software die Abgas-Vorgaben einhalten. Falls die Nachbesserung nicht gelingt, drohe den betroffenen Autos auf deutschen Straßen der Verlust der Zulassung und den Modellen ein Verkaufsverbot, erklärte ein Sprecher des Bundesamts. Heute will VW-Markenchef Herbert Diess nach Brüssel reisen, um mit EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska zu sprechen. Die EU-Kommission hat rasche Aufklärung von den nationalen Behörden verlangt.

Zur Aufarbeitung des Skandals kommt das Präsidium des VW-Aufsichtsrats morgen erneut zur Krisensitzung zusammen. Dabei soll ein erster Zwischenbericht vorgelegt werden. Demnach fiel die Entscheidung zum Einbau der Software in Diesel-Fahrzeuge bereits 2005 und 2006 - und zwar in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale in Wolfsburg. An der Spitze des Konzerns stand damals Bernd Pischetsrieder, der heutige Daimler-Manager Wolfgang Bernhard leitete die Kernmarke VW. Mit der Software wurden dort Abgaswerte geschönt.

Die jüngsten Nachrichten setzten der VW-Aktie weiter zu. Sie fiel zeitweise um fast neun Prozent auf 97 Euro und damit unter die psychologisch wichtige Marke von 100 Euro. Da half es nichts, dass der neue Volkswagen-Chef Michael Müller durchgreift: Gestern wurden laut Konzernkreisen weitere Top-Manager beurlaubt, darunter Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg, der für die technische Entwicklung bei allen Marken mitverantwortlich ist. VW äußerte sich dazu nicht.

Ungeachtet der strafrechtlichen Ermittlungen fordern Experten den VW-Aufsichtsrat auf, Schadenersatzansprüche gegen Winterkorn und andere Vorstände zu prüfen. "Winterkorn als früherer Vorstandsvorsitzender muss nun damit rechnen, dass ihn das Unternehmen zivilrechtlich verklagt", sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) unserer Redaktion. "Wenn gegen Gesetze verstoßen wurde, kann dies eine Haftung des Managers gegenüber dem Unternehmen begründen." Ähnlich äußerte sich Ulrich Hocker, Chef der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz: "Strafrechtlich gilt die Unschuldsvermutung. Aber der Aufsichtsrat ist vom Aktiengesetz her verpflichtet, mögliche Managementfehler bei Volkswagen nun auch zivilrechtlich zu ahnden. Da kann es um Schadenersatz von vielen Millionen Euro für das Unternehmen gehen."

(dpa/rky)
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