Belgrad Vorzeitige Neuwahl in Serbien

Belgrad · Der serbische Präsident Boris Tadic hat gestern seinen vorzeitigen Rücktritt angekündigt, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Seine Amtszeit wäre erst in zehn Monaten abgelaufen. Tadic, der 2004 erstmals und 2008 wieder zum Präsidenten gewählt worden ist, verfolgt mit diesem Schritt taktische Ziele. Er genießt zwar hohes Ansehen, doch sind seine Umfragewerte in den letzten Monaten gesunken. Offenbar will er retten, was zu retten ist.

Tadic begründet die Verkürzung seiner Amtszeit offiziell mit den "entscheidenden Reformen", die dem Land bevorstünden und für die er "ein stärkeres Mandat des Wählers" brauche. Seit wenigen Wochen ist Serbien EU-Beitrittskandidat, was Tadic als großen Erfolg sieht. Seine Demokratische Partei, die mit den Sozialisten und Minderheitengruppen regiert, wird allerdings auch für die triste Lage auf dem Arbeitsmarkt, die Kürzung staatlicher Sozialleistungen verantwortlich gemacht. Zudem ist die Europa-Politik heftig umstritten weil deren Preis, so die nationalistische Opposition, der Verlust der ehemaligen Südprovinz Kosovo sei.

Das Kosovo – seit vier Jahren ein eigener Staat – ist ein Schlüsselthema des Wahlkampfs. Keine Partei schenkt den Wählern reinen Wein in dieser Frage ein, auch Tadic nicht: "Ich stehe für eine Politik der europäischen Integration, aber ich werde Kosovo als Staat niemals anerkennen", sagte er gestern in Belgrad. Er muss an seinem widersprüchlichen Kurs festhalten, wenn er die Wahlen gewinnen will. Doch die EU will die Beitrittsverhandlungen nicht aufnehmen, solange die serbische Führung die Unabhängigkeit Kosovos nicht akzeptiert.

Tadics schärfster Rivale ist Tomislav Nikolic, der gegen ihn bereits zweimal knapp verloren hat. Doch diesmal hat der Chef der gemäßigt nationalistischen Fortschrittspartei bessere Chancen als zuletzt: In jüngsten Umfragen liegt Nikolic mit 34 Prozent der Stimmen nur sieben Punkte hinter dem favorisierten Amtsinhaber.Nikolic hatte sich 2008 mit seiner Partei von den Radikalen des angeklagten Kriegsverbrechers Vojislav Seselj abgespalten.

Seither ist Nikolic bemüht, als seriöser Staatsmann anerkannt zu werden. Auch er ist für den EU-Beitritt Serbiens, doch gilt er im Westen in der Kosovo-Politik als unflexibel. Nicht zuletzt Nikolics Partei befeuert den Streit mit der Forderung, die Kosovo-Serben an den Wahlen zu beteiligen. Vertreter der EU-Überwachungsmission im Kosovo sowie der Nato-geführten Friedenstruppe Kfor befürchten während des Wahlkampfs gewaltsame Konflikte.

(RP)
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