Berlin Vorverurteilung Inhaftierter: Berlin protestiert in Ankara

Berlin · Mit scharfen Worten hat das Auswärtige Amt gegen die Vorverurteilung inhaftierter Menschenrechtler in der Türkei protestiert. "Schwer erträglich" nannte Außenamtssprecher Martin Schäfer Veröffentlichungen aufgrund von durchgesickerten Vernehmungsprotokollen. Der nach seiner Teilnahme an einem Seminar festgenommene Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner spreche kein Wort Türkisch und habe von den Behörden offenbar einen nur mittelmäßigen Übersetzer gestellt bekommen. Es fehle jeder Beleg für eine angebliche Arbeit Steudtners für terroristische Organisationen.

Diese Behauptung stehe zudem im offenbaren Widerspruch zu dem nicht weniger unsinnigen Vorwurf von Präsident Recep Tayyip Erdogan, wonach Steudtner ein "Spion" Deutschlands sei. Es sei "unerträglich", dass Steudtner weiterhin unschuldig in Haft sitze.

Steudtner war mit weiteren Menschenrechtlern aus Schweden und der Türkei am 5. Juli bei einem Seminar der Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International festgenommen worden. Die gegen ihn verhängte Untersuchungshaft kann bis zu fünf Jahre dauern, ohne dass ein Verfahren eröffnet werden muss.

Diesen Fall nahm das Auswärtige Amt zum Anlass für eine deutsch-schwedische Demarche in der Türkei, also eine förmliche Protestnote an die türkische Regierung. Darin wird unter anderem gefordert, dass den Festgenommenen zumindest erklärt werden müsse, was ihnen überhaupt vorgeworfen werde. Die Bundesregierung setze sich mit aller Kraft dafür ein, dass die neun inhaftierten Deutschen nicht zu Geiseln der türkischen Regierung würden. In der Vergangenheit hatten türkische Regierungsvertreter angedeutet, die Häftlinge könnten umgehend freikommen, wenn türkische Offiziere ausgeliefert würden, die in Deutschland Asyl beantragt hatten. Das Auswärtige Amt hatte daraufhin auf die Unabhängigkeit der deutschen Gerichte verwiesen.

Nachdrücklich verwies Schäfer auf die Reisehinweise, die das Auswärtige Amt nach den Festnahmen in der Türkei verschärft hatte. Er empfahl allen Türkei-Reisenden aus Deutschland, sich online in die Krisenvorsorgeliste der deutschen Diplomaten (http://elefand.diplo.de) einzutragen. Damit sei natürlich keine ständige Begleitung verbunden, es lasse sich jedoch eine Unterstützung gegebenenfalls schneller organisieren.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu sagte zum Vorgehen gegen Journalisten, die EU dürfe sich nicht von "Pseudo-Journalisten" täuschen lassen, die terroristische Aktivitäten unterstützten. Journalisten, Soldaten und Politiker hätten den Putschisten geholfen und müssten bestraft werden.

(may-)
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