Gott und die Welt Von seiner Fähigkeit, weltbewegende Fragen zu formulieren, kann die Kirche lernen.

Es gibt wohl kaum jemanden, der den Namen Stephen Hawking nicht kannte. Seit Jahrzehnten nahm die Öffentlichkeit an seinem besonderen Lebensschicksal Anteil - und ebenso an seinem Lebensmut und an seinem typisch britischen Humor. Er selbst hat der Menschheit Anteil an seinem besonderen Wissen geschenkt; er hat die Frage nach dem Woher und Warum unserer Existenz populär gemacht. Dort, wo wir Christen glauben, dass Gott die Erde und das Leben aus dem Nichts geschaffen hat und Gott der ist, ohne den wir und alles um uns herum nicht wären, kam Hawking in seinem Denken ohne Gott aus. Für ihn gab es einfach nichts vor dem Beginn des Weltalls, der Erde und dem Leben - und dementsprechend auch einfach nichts danach. Ich habe mich oft gefragt, ob Stephen Hawking nicht insgeheim doch an Gott glaubte und nicht nur an die Gesetze der Physik. Dass er selbst mit seinem Tod nicht ins Nichts gegangen ist, ist meine tiefe christliche Überzeugung. Für mich ist Gott der Schöpfer allen Lebens und ebenso der Zeit. Und er ist das Ziel unserer persönlichen Lebenszeit und der des Universums. Als Christ glaube ich deshalb auch, dass Stephen Hawking nun teilhat an der Ewigkeit; er ist der Zeit nun enthoben. "Eine kurze Geschichte der Zeit", so lautet der Titel eines seiner bekanntesten Bücher. In seiner eigenen Lebenszeit war seit Ausbruch der schweren Erkrankung, die seinen Körper immer mehr lähmte, jeder Tag ein wundersames Geschenk. Er hinterlässt ein großes Erbe - und dazu zählt auch die Fähigkeit, Fragen, die die Welt bewegen, so zu formulieren, dass Menschen sie verstehen. Auch die nach Gott und dem Nichts. An dieser Stelle können Kirche und Theologie von ihm viel lernen.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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