Politisch Inkorrekt Von Menschen, Maden und einem Kulturvolk

Das "Dschungelcamp" ist auch gut für die öffentlich-rechtlichen Sender. Es beweist nämlich, dass im deutschen Fernsehen jedes noch so niedrige Niveau mühelos unterboten werden kann.

Immer wenn absolut berechtigter Zorn über das milliardenschwere öffentlich-rechtliche Rundfunksystem in Deutschland hochkocht, kommt der Entlastungsangriff. ARD, WDR, ZDF und Co., so hört man dann, seien wichtig für die Demokratie und sorgten für Qualität im Fernsehen. Nun kann man das angesichts des allabendlich Gebotenen durchaus bezweifeln. Und als jüngst die Drogeriekette Rossmann Klage gegen die Neuregelung der Rundfunkgebühren einreichte, fügten die Anwälte eine Aufstellung bei, wie viele Sendeminuten die Öffentlich-Rechtlichen an einem beliebigen Dienstag im November für welche Art von Sendungen aufwendeten: 700 Minuten Telenovelas, 320 Minuten Daily Soaps, 279 Minuten Boulevard-Magazine, 275 Minuten Krankenhaus-Serien und 100 Minuten Kochshows. Ob die Gründer des öffentlich-rechtlichen Systems das gemeint haben, als sie den Begriff der Grundversorgung schufen?

Tatsächlich liefern die privaten Fernsehanbieter den Staats-Sendeanstalten Tag für Tag gute Argumente in puncto Qualität. Als auf RTL die neueste Runde des "Dschungelcamps" eingeläutet wurde, meldete der Sender stolz: Quotenrekord! Fast acht Millionen Deutsche hatten eingeschaltet, um mitzuerleben, wie sich C-Prominente zu Vollidioten machen lassen. Da wird allerhand Unappetitliches verzehrt, leichtbekleidete Damen erledigen grenzdebile Aufgaben, und Patrick schaut Claudelle zwischen die Beine — so wie die RTL-Kamera auch. Da freut man sich sogar wieder über die Wiederholung alter "Tatorte" mit Hansjörg Felmy oder zusammenbrechende Leitungen zu Nahost-Korrespondenten der "Tagesthemen".

Nun ist dies ein weitgehend freies Land, sofern man Steuern bezahlt, Müll ordentlich trennt und nicht raucht. Will sagen, jeder soll schauen, was er oder sie will. Aber was sind das für Menschen, die sich Sendungen wie "Dschungelcamp", "Die Geissens" oder "Familien im Brennpunkt" anschauen? Der Schriftsteller Wolfgang Menzel schrieb 1828: "Das sinnige deutsche Volk liebt es zu denken und zu dichten, und zum Schreiben hat es immer Zeit." Kaum zu glauben, was sich seither getan hat. Acht Millionen Menschen ergötzen sich daran, wie sich Leute in Spinnen suhlen, Maden verzehren und — noch ekelerregender — miteinander sprechen. Auf niedrigstem vorstellbaren Niveau.

Kommunikationsforschern zufolge werden solche Sendungen übrigens auch von vielen Akademikern und anderen Menschen mit hohem sozialen Status gesehen. Und besonders stolz ist man beim Sender auf die "starken Marktanteile beim jungen Publikum". Da muss uns ja um die Zukunft dieses Landes nicht bange sein.

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(RP/das)
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