Karlsruhe/Genf Videoübertragung des NSU-Prozesses verboten

Karlsruhe/Genf · Nebenkläger im Münchner NSU-Mordprozess sind mit dem Versuch gescheitert, vor dem Bundesverfassungsgericht eine Videoübertragung des Verfahrens in einen weiteren Saal zu erzwingen. Das Gericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Beschwerde sei unzulässig, weil die Voraussetzung dafür, eine Verletzung der Grundrechte, nicht hinreichend begründet worden sei, heißt es in dem gestern veröffentlichten Beschluss.

Die Bundesregierung hat unterdessen vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf Pannen bei den Ermittlungen zur Mordserie der rechtsextremistischen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" bestätigt. "Strafverfolgungsbehörden haben bei der Erkennung der Motive versagt und deshalb die Mörder nicht gefasst", sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning.

Der Menschenrechtsrat umfasst 47 Mitgliedsländer, doch dürfen alle 193 UN-Länder in der Anhörung Fragen stellen. Die Türkei hat vor dem Rat die lückenlose Aufklärung der Mordserie verlangt. Die Millionen Menschen türkischer Abstammung in der Bundesrepublik fühlten sich in Folge des NSU-Terrors verunsichert, erklärte der türkische UN-Botschafter Oguz Demiralp.

Bei den Ermittlungen wurden weitere Pannen bekannt: Nach dem Bombenanschlag 2004 in Köln haben die Ermittler offenbar wichtige Zeugen nicht sofort befragt. Auch die Sprengstoffdatei des Bundeskriminalamts wurde nicht sinnvoll genutzt, wie Befragungen vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags ergaben. Der Anschlag in der überwiegend von Türken bewohnten Keupstraße wird dem NSU zugeschrieben. Damals waren 22 Menschen verletzt worden.

Ein Kölner Polizist schilderte im Ausschuss, dass er mit einem Kollegen zum Zeitpunkt des Anschlags in direkter Nähe auf Streife gewesen sei. Noch vor den Einsatzkräften seien sie am Tatort eingetroffen. Videoaufzeichnungen legen nach Erkenntnissen des Ausschusses nahe, dass sich die mutmaßlichen Täter zur selben Zeit in derselben Straße aufgehalten haben wie die Polizeistreife. Dennoch sind die Polizisten erst im März 2013 vernommen worden. Der CDU-Obmann im Ausschuss, Clemens Binninger, sagte: "Dieses Wissen nicht zu nutzen, ist schon fast skandalös. Diesen Fall hätte man aufklären können."

Binninger kritisierte zudem, dass bei den Ermittlungen die Recherchemöglichkeiten in der Sprengstoffdatei des Bundeskriminalamts nur unzureichend genutzt worden seien. Wäre nach den Schlagworten "männlich", "Koffer" und "rechtsradikal" gefragt worden, hätte man die Datei des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt abrufen können, kritisierte Binninger.

(RP)
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