Verteidigungsminister Boris Pistorius unterstützt Rüstungsdeal mit Indien Ein Milliardengeschäft unter Wasser für die Zukunft

Neu-Delhi · Der Einfluss der Atommacht Indien, das Rüstungsgeschäfte mit Russland macht und sich vom Westen nicht einhegen lassen will, wächst mit Tempo. Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Abhängigkeit der Atommacht Indien von Russland mit einer strategischen Partnerschaft auch im Rüstungsbereich reduzieren

Verteidigungsminister Boris Pistorius unterstützt einen deutsch-indischen U-Boot-Deal und trifft bei seinen Gesprächen in Neu-Delhi den indischen Amtskollegen Rajnath Singh.

Verteidigungsminister Boris Pistorius unterstützt einen deutsch-indischen U-Boot-Deal und trifft bei seinen Gesprächen in Neu-Delhi den indischen Amtskollegen Rajnath Singh.

Foto: dpa/Britta Pedersen

NEU-DELHI. Boris Pistorius hat jetzt rund 15 000 Flugkilometer hinter sich. Gut 7000 Kilometer werden noch dazu kommen. Zuhause wartet wieder ein Sack Aufgaben auf den deutschen Verteidigungsminister. Aber draußen in der Welt ist auch eine Menge los, es gibt es viel neu zu ordnen und zu sortieren – und neue Märkte auch für die heimische Rüstungsindustrie zu erschließen. Der SPD-Politiker ist an Tag vier seiner Reise durch den Indo-Pazifik angekommen in Neu-Delhi – in der Hauptstadt der Atommacht Indien, die bislang gerne Rüstung für ihre gigantische Armee mit 1,2 Millionen Soldaten von Russland eingekauft hat. Doch das Land mit seinen inzwischen 1,4 Milliarden Menschen interessiert sich auch für Militärgüter aus anderen Staaten. Made in Germany ist da immer noch ein Gütesiegel, auch wenn deutsche Rüstungskonzerne gerade erst wieder anfangen, ihre Kapazitäten als Folge des Krieges in der Ukraine der gewachsenen Nachfrage anzupassen.

Pistorius kommt gerade aus Indonesien, wo die Regierung gleichfalls wegen zweier Großraumtransporter vom Typ A400M angeklopft hat. Das Projekt ist eingetütet. Und nun eben Indien, ein Riesenmarkt, das unter anderem im ewigen Kampf mit dem Erzrivalen Pakistan gerüstet sein will. Verträge habe er nicht mit im Gepäck, sagt der Minister, um Missverständnissen vorzubeugen. Dies sei Sache der Unternehmen, etwa ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS), die er aktuell unterstütze. Denn: Indien ist am Kauf von sechs konventionell betriebenen U-Booten interessiert, weil es für Kontrolle im Indo-Pazifik etwa gegen eine Vorherrschaft von China auch offene Augen unter Wasser braucht. Ein Milliardengeschäft. „Die deutsche Rüstungsindustrie ist da gut im Rennen“, sagt der Minister mit Blick auf die mitbietende internationale Konkurrenz.

Der Gast aus Berlin macht deutlich, dass es Deutschland im Umgang mit Indien als größter Demokratie der Welt auch um die Pflege einer langjährigen strategischen Partnerschaft gehe, die die Bundesregierung wieder aufpolieren will. Deswegen sei Bundeskanzler Olaf Scholz bereits in Indien gewesen, das aktuell den Vorsitz in der Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenstaaten (G20) habe. Deswegen sei auch er jetzt hier. Erstmals seit acht Jahren sei nun wieder ein deutscher Verteidigungsminister in Indien, das seine Rüstungsgüter zu 60 Prozent bei Russland gekauft habe. Pistorius will gerne dabei helfen, damit dieser Anteil kleiner wird. Dafür schreitet er in der sengenden Hitze von Neu-Delhi beim Empfang mit militärischen Ehren auch alleine die Ehrenformation ab, während sein Amtskollege Rajnath Singh im Schatten eines Zeltdaches sitzen bleibt. Das indische Protokoll sieht diese Ehre nur für den Gast als besondere Geste.

Dabei räumt Pistorius während seines Indien-Besuches ein, „dass wir in der Vergangenheit vielleicht nicht nah genug dran waren, um eine solche Teilabhängigkeit zu reduzieren“. Aber das soll jetzt besser werden. „Wir merken, dass Russlands Stern sinkt.“ Er wolle jetzt auch nicht darauf drängen, „dieses oder jenes Bekenntnis“ eines Staates etwa bei den Abstimmungen bei den Vereinten Nationen abzuverlangen, spielt Pistorius auf Indiens Stimmenthaltung bei der UN-Vollversammlung zum russischen Angriffskrieg an. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar gab den Europäern vor einiger Zeit mit auf den Weg, Europa solle aufhören, die eigenen Probleme für die Probleme der Welt zu halten, sondern sich um die tatsächlichen Probleme der Welt kümmern. Indien lässt sich traditionell ohnehin nicht gerne einbinden in Blöcke – auch nicht vom Westen. Pistorius sagt denn auch, es wäre „besser, nicht in Blöcken zu denken, wenn wir eine multipolare Welt wollen“. Dafür dann eben eine neu belebte Partnerschaft mit Indien auch im Rüstungsbereich. Pistorius ahnt: Wer Staaten wie Indien von Russland irgendwie loslösen möchte, muss selbst etwas anbieten – in diesem Fall eben Militärgroßgerät aus Deutschland wie U-Boote. Für eine stärkere Rolle Deutschlands im Indo-Pazifik wollen die indische und deutsche Marine im kommenden Jahr ihre Fähigkeiten bei einer mehrtägigen gemeinsamen Übung im Indischen Ozean abstimmen. Der Kollege Singh hat jetzt eine Gegeneinladung von Pistorius zum Besuch in Deutschland. Man suche nun nach einem passenden Termin. Die Münchner Sicherheitskonferenz 2024 könnte eine solche Gelegenheit sein, sagt Pistorius, der gerade beim Shangri-La-Dialog in Singapur, dem Pendant im Indo-Pazifik zur Veranstaltung von München, gesprochen hat. Dann Heimspiel Pistorius.

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