Der Verteidigungsminister und die Zeitenwende im Bundestag Boris Pistorius im milden Kreuzverhör

Der Verteidigungsminister stellt sich im Plenum den Fragen der Abgeordneten und verspricht insgesamt mehr Tempo in Truppe und Ministerium

 Geht auch mit Humor: Verteidigungsminister Boris Pistorius am Mittwoch bei der Befragung durch die Abgeordneten im Deutschen Bundestag

Geht auch mit Humor: Verteidigungsminister Boris Pistorius am Mittwoch bei der Befragung durch die Abgeordneten im Deutschen Bundestag

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Dann also rein in die Arena Bundestag. Boris Pistorius ist sieben Minuten vor der Zeit da. So viel Respekt vor dem Parlament muss sein, wenn ihn die Mandatsträger des Hohen Hauses gleich ins Kreuzverhör nehmen wollen. Die Stühle der Regierungsbank sind zu dieser Mittagsstunde noch leer. Pistorius geht noch einmal Unterlagen, geordnet in einer grünen Mappe, durch. Ukraine-Krieg, Zeitenwende, Mängel beim schweren Gerät, fehlende Munition, umständliche Beschaffungsverfahren, Kampf um qualifiziertes Personal. Die Themenliste ist lang. Gleich ist Pistorius beim Thema Ukraine-Krieg. Drei Plätze weiter sitzt Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der gleichfalls durch die Befragung im Bundestag muss. Lauterbach lässt Pistorius nicht allein: Täglich würde Arm- und Beinprothesen aus Deutschland geliefert, Schwerstverletzte aus der Ukraine versorgt und auch telemedizinisch geholfen, wenn ukrainische Ärzte schnell Rat aus Deutschland bräuchten. Dann übernimmt wieder Pistorius.

Der Verteidigungsminister ist mit hohem Tempo und großer Energie in ein schon in Friedenszeiten kompliziertes Amt gestartet, das in Zeiten von Krieg in Europa zusätzliche Aufgaben und Lasten bereithält. Pistorius kann klare Sprache. In nur drei Minuten macht er vor dem Plenum deutlich, dass die Zeiten der Friedensdividende unwiederbringlich vorbei seien, dass die Bundesregierung „unverrückbar der Ukraine zur Seite steht, solange das nötig ist“, und dass es „dauerhaft“ nötig sein werde, „mindestens zwei Prozent“ der deutschen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Aktuell bleibt Deutschland weiter deutlich unter dem in der Nato verabredeten Zwei-Prozent-Ziel. Pistorius jedenfalls will eine Bundeswehr, die „in allen Bereichen einsatzfähig, kaltstartfähig und durchhaltefähig“ sei. Aber auch der Verteidigungsminister kann der Truppe keinen Zaubertrank mixen. Schnellere Verfahren würden schon helfen. Doch der SPD-Politiker macht deutlich, dass „alle Maßnahmen etwas Zeit brauchen“, damit sie wirken könnten.

Pistorius ist in den 126 Tagen seit Amtsantritt am 19. Januar zum derzeit beliebtesten deutschen Politiker geworden. Er ist von Tag eins angekommen in diesem Amt. Vielleicht wird er auch deshalb in dieser milden Fragerunde im Bundestag nicht wirklich angegangen, weil ihm alle abnehmen, dass er die Aufgaben angeht. CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn will von dem SPD-Mann wissen, warum er die Bundeswehr nicht früher als Ende Mai 2024 aus dem afrikanischen Krisenstaat Mali abziehe, wo Pistorius beim Besuch im Januar dort doch selbst gesagt habe, dass der Einsatz an seine Grenzen gerate. Soldaten dürften aus Sicherheitsgründen ihr Lager nicht verlassen dürften, weil die Regierung in Bamako der Bundeswehr untersage, Aufklärungsdrohnen fliegen zu lassen. Die Unionsfraktion drängt in einem eigenen Antrag gerade darauf, die Bundeswehr schon Ende dieses Jahres aus Mali abzuziehen. Pistorius ist auch hier knapp und klar: „Jeder Abzug braucht einen geordneten Rahmen.“ Denn: „Es ist nicht der Umzug einer Familie mit einem Möbelwagen.“ Die Vorbereitungen für einen Abzug liefen bereits. An diesem Freitag soll der Bundestag ein letztes Mal über eine Verlängerung des Mandates für den Mali-Einsatz abstimmen -- eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich.

Pistorius sagt, er wolle insgesamt schneller werden – bei der Truppe und im Ministerium. „Bisher hatten wir viel Zeit und wenig Geld, jetzt ist es umgekehrt.“ Wie die Bundeswehr mehr junge Menschen, auch mehr Frauen gewinnen wolle, will Grünen-Verteidigungsexpertin Sara Nanni wissen. Er sei selbst „sehr unzufrieden“ mit einem Anteil von nicht einmal zehn Prozent Frauen bei der Truppe, wenn man vom Sanitätsdienst absehe, wo er wesentlich höher sei, sagt der Minister. Auch dies müsse besser werden. Schließlich kommt aus der Ecke des Parlaments doch noch ein Angriff. Der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle, Ex-AfD, ist aufgestanden. Warum Pistorius nicht aufhöre, der Ukraine Waffen zu liefern, damit der Krieg endlich ein Ende habe. Farle bekommt seine Antwort: „Das Ende der Waffenlieferungen heute wäre das Ende der Ukraine morgen.“ Der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt hat gesprochen.

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