Debatte neu entfacht Verkehrssicherheitsrat für Tempolimit

Berlin · Nach langen Diskussionen hat sich der mächtige Verkehrssicherheitsrat für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ausgesprochen. Die SPD begrüßt den Beschluss und fordert die Union auf, den Weg für die Regelung freizumachen.

 Tempo 130 gibt es bereits auf einigen Autobahnen.

Tempo 130 gibt es bereits auf einigen Autobahnen.

Foto: Patrick Seeger/dpa/Patrick Seeger

Rund ein Jahr lang debattierten die Mitgliedsverbände im Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) über die Vor- und Nachteile eines generellen Tempolimits auf Autobahnen. Am Montagabend schließlich kam dann der Beschluss, der jetzt für Aufsehen sorgt: Der Dachverband, in dem auch prominente Lobbygruppen wie der Verband der Automobilindustrie oder der ADAC organisiert sind, spricht sich für ein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern aus. Dadurch könnte die Zahl der Verkehrsopfer sinken, heißt es im Beschlusspapier.

Die Nachricht dieser Abstimmung heizt die Diskussion um ein Tempolimit wieder an, nachdem sich die SPD in der Koalition nicht durchsetzen konnte und auch im Bundestag koalitionstreu gegen Tempo 130 auf Autobahnen stimmte.

SPD-Chefin Saskia Esken erneuerte ihre Forderung an die Union, einer solchen Regelung in der Koalition zuzustimmen. SPD-Chefin Saskia Esken erneuerte ihre Forderung an die Union, einer Geschwindigkeitsbeschränkung zuzustimmen. „Der Chor der Befürworter eines generellen Tempolimits von 130 Stundenkilometern auf den Autobahnen wird immer größer: Auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat stimmt mit seinen 200 Mitgliedsorganisationen ein“, sagte Esken unserer Redaktion. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und CDU und CSU sollten sich den Argumenten der Fachleute ebenso wie der Mehrheit der Bundesbürger anschließen und den Weg zu einem Tempolimit freimachen.

Das Verkehrsministerium lehnt das jedoch ab und verweist darauf, dass bereits 30 Prozent der Autobahnkilometer ein Tempolimit hätten und sich nur sieben Prozent der Unfälle mit Personenschäden auf Autobahnen ereigneten.

Ähnliche Positionen vertreten auch Mitglieder des DVR, obwohl der Vorstand am Montagabend den Beschluss für ein Tempolimit fasste. Intern ist die Stimmung jetzt entsprechend schlecht. So erklärte der Geschäftsführer des Automobil-Clubs Verkehr, Holger Küster: „Wir sollten nicht zusehen, wie das Recht der Bürger auf individuelle Mobilität Stück für Stück auf dem Altar bekennender Autogegner geopfert wird.“ Das Abstimmungsergebnis war ohnehin knapp: Zehn Mitglieder votierten für das Tempolimit, vier dagegen, allerdings gab es elf Enthaltungen. DVR-Präsident Walter Eichendorf erklärte, es sei Aufgabe des Verkehrssicherheitsrats, sich für all die Maßnahmen einzusetzen, die Verkehrsunfälle mit Getöteten und Verletzten verhinderten. Dazu zähle auch das generelle Tempolimit auf Bundesautobahnen. Eichendorf war früher stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Besonders viel los ist auf deutschen Autobahnen derzeit aber nicht. Neue Zahlen machen deutlich, dass die Corona-Krise trotz der jüngsten Lockerungen weiterhin massive Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen hat. Auch in der 19. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. Mai war die Menge an Pkw-Verkehr im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrein-Westfalen noch um knapp 46 Prozent geringer als im gleichen Zeitraum 2018. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor.

Demnach gab es in der 19. Woche auch weiterhin knapp 26 Prozent weniger Lkw-Verkehr als in der gleichen Woche 2018, obwohl die meisten Einzelhandelsgeschäfte wieder geöffnet waren. Im Durchschnitt der vergangenen Wochen seit dem Beginn der Corona-Schutzmaßnahmen am 23. März war das Pkw-Verkehrsaufkommen in Nordrhein-Westfalen sogar um 55 Prozent geringer als 2018 zu normalen Zeiten. Der Lkw-Verkehr reduzierte sich im Wochendurchschnitt um 26 Prozent.

„Die Covid-19-Pandemie hat zu einem bislang ungekannten Stillstand in Deutschland geführt und prägt auch dem Verkehr ihren Stempel auf“, heißt es in der IW-Studie. Wirtschaft und Verbraucher reagierten gleichzeitig auf einen Angebots- und einen Nachfrageschock und reduzierten die Mobilität daraufhin drastisch. Noch schlügen sich die jüngsten Aufhebungen der Corona-Schutzmaßnahmen kaum in steigenden Verkehrszahlen nieder. Das Institut nutzte für die Studie so genannte Real-Time-Daten des Mobilen Daten Marktplatzes (MDM-Portal) von 78 automatischen Zählstellen an Bundesfernstraßen in NRW. Hinzu nahm es Daten von Dauerzählstellen der Bundesanstalt für Straßenwesen.

(jd/mar/dpa)
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