Tel Aviv USA wollen Nahost-Friedensprozess beleben

Tel Aviv · Außenminister John Kerry reist nach Israel und Palästina. Doch die Stimmung ist schlecht.

US-Außenminister John Kerry scheint nicht viel aufs Feiern zu geben. Zu Neujahr gönnt er sich keine Ruhe, sondern hastet bereits zum zehnten Mal seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr in den Nahen Osten, um die stockenden Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinense voranzutreiben. Das haben sie bitter nötig: Eigentlich sollte im März ein Friedensabkommen unterschrieben werden, nachdem vertrauensbildende Gesten ihm den Weg ebneten. Israel entließ bereits dreimal palästinensische Langzeithäftlinge. Diese Woche kam eine weitere Gruppe von 26 Häftlingen frei, die wegen Mordes lebenslange Haftstrafen absaßen. Dennoch herrscht schlechte Atmosphäre.

Denn das Jahr 2013, in dem nach vier Jahren völligen Stillstands erstmals wieder Gespräche stattfanden, war für beide Seiten blutig. Im Westjordanland kamen 27 Palästinenser ums Leben – dreimal mehr als 2012. Auch Israel hatte erstmals seit Langem vier Todesopfer zu beklagen. Die Zahl palästinensischer Gewaltakte im Westjordanland hat sich mehr als verdoppelt, Attentate werden gefährlicher und häufiger, was in Israel Widerstand gegen die Freilassung weiterer Terroristen weckt. Doch auch die Zahl der Übergriffe radikaler Siedler nahm zu. Und Israels Premier Benjamin Netanjahu gießt selber Öl ins Feuer: Er begleitete die Freilassung der Häftlinge mit Bauvorhaben in den besetzten Gebieten – und machte damit jedes Wohlwollen zunichte. Netanjahus rechtslastige Koalition will zudem das Jordantal einseitig annektieren. Die Absichtserklärung empörte Abbas und stieß selbst bei Israels Verbündeten auf Unverständnis.

Kerry will die Entwicklungen in neue Bahnen leiten. Diplomatischen Quellen zufolge wollen die USA einen Rahmenvertrag vorlegen, der das Endergebnis der Verhandlungen grob in Kernpunkten definiert: Die Grenzen sollen sich an der Waffenstillstandslinie von 1967 orientieren, Jerusalem geteilt und Israel als Staat des jüdischen Volks anerkannt werden. Palästinensische Flüchtlinge sollen nur in ihren Staat zurückkehren dürfen. Die Details sollen dann ein weiteres Jahr lang ausgearbeitet werden. Unklar ist, wie Kerrys Vorschläge aussehen und wie bindend sie sein werden. Werden Abbas und Netanjahu sie unterschreiben oder nur zur Kenntnis nehmen? Außerdem ist noch nicht entschieden, ob das Dokument publik gemacht werden soll, um beide Bevölkerungen auf Kompromisse einzustimmen.

(RP)
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