Analyse US-Republikaner demontieren sich selbst

Washington · Im Repräsentantenhaus erfreuen sich die Republikaner einer Mehrheit wie seit 1929 nicht mehr, und doch lehnt sich die Tea-Party-Fraktion lautstark gegen das eigene Establishment auf - aus Frust darüber, dass sich Barack Obama keine Daumenschrauben anlegen lässt.

Es gab Zeiten, da waren die Republikaner stolz auf das Attribut, die "Daddy Party" zu sein. "Papa-Partei", das stand für Wirtschaftsfreundlichkeit und kühles Rechnen, für Strenge und Disziplin, wobei sich die Partei ihrer Fähigkeit rühmte, selbst die heftigsten Flügelkämpfe relativ rasch beenden zu können. Hauptsache, man konnte bald wieder regieren. Misst man es an ihrem eigenen Anspruch, dann bieten die US-Konservativen zurzeit ein verblüffendes Bild: Chaos, Aufruhr, Revolte gegen das eigene Establishment.

Eine überschaubare Minderheit, etwa 40 von 247 republikanischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses, ließ die Wahl des neuen Speakers, des Parlamentsvorsitzenden, zum Nervenspiel werden. Der alte, John Boehner, hatte das Handtuch geworfen, um sich nicht länger aufreiben zu müssen in den ewigen Machtkämpfen mit den unberechenbaren Tea-Party-Rebellen. Sein gesetzter Nachfolger, der bodenständige, gut vernetzte Kalifornier Kevin McCarthy, machte in letzter Minute einen Rückzieher, weil ihn die Aussicht auf ebendiese Machtproben schreckte. Paul Ryan, der führende Haushaltsexperte der Republikaner, ließ sich lange bitten, um in die Bresche springen.

2012 war Ryan der Vizepräsidentschaftskandidat an der Seite Mitt Romneys. Irgendwann will sich Ryan, vielleicht 2020, selber ums Oval Office bewerben. Sich schon vorher im Dauerclinch mit dem eigenen Kindergarten zu verschleißen, davor graut ihm. Kein Wunder, dass neuerdings das Bonmot von der "Crazy Uncle Party" die Runde macht, um die Partei mit dem Elefantenwappen zu charakterisieren. Eine lautstarke Minorität, die alle anderen vor sich hertreibt, erinnert an jenen exzentrischen Onkel, der allem und jedem widerspricht, an allem etwas auszusetzen hat, der mit dem Kopf durch die Wand will, statt auch mal nachzugeben.

Hinter dem "Alles oder nichts" verbirgt sich angestauter Frust, der Ärger darüber, dass man das eigene Gewicht nicht richtig in die Washingtoner Waagschale werfen kann. Einerseits erfreuen sich die Republikaner seit ihrem Erdrutschsieg im November 2014 einer so klaren Mehrheit im Abgeordnetenhaus, wie es sie seit 1929 nicht mehr gab (im Senat fällt sie mit 54 Sitzen nicht ganz so deutlich aus). Andererseits mussten sie in zorniger Ohnmacht zuschauen, wie Barack Obama gerade nach jenem Wahldenkzettel unbeeindruckt wichtige Pflöcke einschlug. Der Annäherung an Kuba folgte das Atomabkommen mit Iran, dem sich die Republikaner geschlossen verweigerten. Die Legislative mögen sie zwar dominieren, aber ihre Macht reicht am Ende dann doch nicht aus, um dem Präsidenten Daumenschrauben anlegen zu können.

Es ist eine Erkenntnis, auf welche die Alles-oder-nichts-Fraktion mit offener Revolte reagiert. Nur dass sich ihre Wut nach innen richtet, gegen die Spitzenleute in den eigenen Reihen, jene "Country-Club-Politiker" auf der Golfwiese, denen sie vorwerfen, vor Obama zu kapitulieren, ihm zumindest nicht hart genug Paroli zu bieten.

(RP)
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