Washington Unterhosenbomber war Doppelagent

Washington · Der geplante Bombenanschlag von Al Qaida auf ein Passagierflugzeug ist laut amerikanischen Medien durch einen Geheimdienst-Mitarbeiter vereitelt worden, der in das Terrornetzwerk im Jemen eingeschleust worden sei. Dort habe er sich freiwillig für den Selbstmordanschlag gemeldet.

John O. Brennan jonglierte mit Worten wie ein Akrobat, der aufpassen muss, dass keiner seiner Bälle zu Boden fällt. Ja, man sei im Besitz einer Sprengstoffladung, die ein Unterhosenbomber an Bord eines Flugzeuges zünden wollte, sagte der oberste Antiterrorberater des Weißen Hauses im Morgenmagazin von ABC News. Nein, über die Identität des Mannes könne er leider nichts sagen. Es folgte ein merkwürdig diffuser Satz, der Nichteingeweihte vor Rätsel stellte: "Unsere geheime Arbeit erlaubte es uns, die Existenz des Sprengsatzes frühzeitig visuell bestätigt zu bekommen."

Das war am Dienstag, und seit gestern ist etwas klarer, was sich hinter dem Kauderwelsch Brennans verbirgt. Der geheimnisvolle Anonymus, von dem es anfangs hieß, er sei der gefasste Attentäter, ist in Wahrheit ein Agent, vermutlich auf den Gehaltslisten der Regierung Saudi-Arabiens. Offenbar gelang es ihm, das Vertrauen einer Zelle Al Qaidas im Jemen zu gewinnen. Inzwischen seien er und seine Familie in Sicherheit, hieß es.

Wochenlang soll sich der Agent bei Terrorplanern von AQAP, der Al-Qaida-Filiale auf der Arabischen Halbinsel, aufgehalten haben, bevor die ihn in Marsch setzten, um einen Flug in die USA zu buchen und, einmal an Bord, eine raffiniert in die Unterwäsche eingenähte Bombe zu zünden. Nach einer zweiten Version ließ sich der Spion in einem jemenitischen Camp das Sprengstoffpaket aushändigen, ehe er sich über die lange, kaum bewachte Grenze nach Saudi-Arabien absetzte. Bislang alles Spekulation, typisch für die Schattenwelt der Spionage mit ihren Grauzonen.

Folgt man amerikanischen Terrorfahndern, handelte es sich um einen Sprengsatz mit zwei Zündern, für den Fall, dass einer den Dienst versagte – wie Weihnachten 2009, als der Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab eine Transatlantik-Maschine abstürzen lassen wollte, aber nur einen kleineren Brand auslöste. Terrorabwehr-Spezialisten gehen davon aus, dass beide Bomben von Ibrahim Hassan al Asiri gebaut wurden. Er gehört der Gruppe Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel an. In Quantico, einem Militärstützpunkt in Virginia, wird die Konstruktion offenbar seit Tagen in einem Kriminallabor des FBI unter die Lupe genommen. Die Experten wollen herausfinden, ob die Kontrollen der Flughäfen noch auf der Höhe der Zeit sind. Etwa die Körperscanner, in den USA längst eine Alltagserfahrung im Leben des Flugpassagiers: Hätte man auch sie mit einer sorgfältig getarnten Sprengstoffladung ohne Metallteile passieren können?

So bizarr die Geschichte schon klingt, der Dreh mit dem Undercover-Agenten lässt sie zum Stoff für einen Hollywood-Thriller werden. "Zu schön, um wahr zu sein", melden Skeptiker in Leserzuschriften an die "New York Times" ihre Zweifel an. Welcher Nationalität der V-Mann ist, darüber schweigt sich das Weiße Haus aus. Das "Wall Street Journal" zitiert Geheimdienstquellen, wonach er mit Hilfe Saudi-Arabiens bei AQAP eingeschleust wurde. Obamas Anti-Terror-Koordinator wiederum pflegt beste Kontakte ins Wüstenkönigreich: In den 90er Jahren leitete Brennan, der fließend Arabisch spricht, die CIA-Residenz in Riad, bevor er 2001 unter George W. Bush zum Vizedirektor der Auslandsspionage befördert wurde.

Obama holte ihn in den Kreis seiner engsten Berater, obwohl manche Demokraten Protest anmeldeten, weil sie in der Personalie Brennan den symbolisierten Widerspruch zum versprochenen Wandel sahen. Aber der Hüne gilt unter Washingtons Spitzenbeamten als einer der besten Islam-Kenner.

(RP)
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