Unter falscher Flagge

Bevor ein Gesetz für eine Ausweitung der vorgeschriebenen Sprechstundenzeiten geschrieben wird, wäre mal ein Kassensturz in Sachen Arzttermine sinnvoll. Lange Wartezeiten gibt es bei bestimmten Fachärzten und in einigen Regionen Deutschlands. Oft sind es auch ältere und weniger gebildete Menschen, die schlechter versorgt werden, weil sie am Telefon bei der Terminbitte nicht so überzeugend und redegewandt auftreten.

Mesut Özil und Ilkay Gündogan sind beide in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen. Zwei Kinder des Ruhrgebiets mit türkischer Abstammung wie Hundertausende andere. Sie haben ihre Laufbahn in Deutschland begonnen und sich später auch sehr bewusst für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft entschieden. Das hat viele sportliche Gründe. So ist Özil 2014 mit der DFB-Auswahl bekanntlich Weltmeister geworden. Es hat aber auch durchaus eine wirtschaftliche Komponente. Denn mit dem Adler auf der Brust ist es deutlich einfacher, sich hierzulande vermarkten zu lassen.

Man kann es deswegen schon als problematisch empfinden, dass Özil als deutscher Nationalspieler nicht aus Flegelei, sondern sehr bewusst das Mitsingen der Hymne vor einem Spiel verweigert. Man muss aber von einem Mitglied der Nationalmannschaft unbedingt erwarten, dass es sich zu seinem Heimatland bekennt. Und dann ist Frank-Walter Steinmeier der Präsident von Özil und Gündogan — und nicht der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.

Özil und Gündogan bringen den DFB mit dieser Aktion in eine mehr als missliche Lage. Und sie stellen sich selbst weit ins Abseits. Es ist ein alarmierendes Signal für die Integrationsbemühungen des Verbandes, wenn zwei so prominente Akteure sich derart präsentieren und für Wahlkampfzwecke einspannen lassen. Hinzukommt: Das alles wirkt bewusst inszeniert. Schließlich nominiert Joachim Löw heute sein vorläufiges Aufgebot für die Weltmeisterschaft.

Mit dabei sollten letztlich nur Spieler sein, die wissen, dass ihr Präsident in Berlin und nicht in Ankara seinen Dienstsitz hat.

(RP)
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