Schon 215 Todesopfer im Nordosten des Landes Unruhen in Nigeria - Misswahl verlegt

Abuja/London (rpo). Die geplante Wahl zur Miss World hat in Nigeria bisher mindestens 215 Menschen das Leben gekostet. Im Nordosten haben sich Moslems und Christen blutige Schlachten geliefert. Der Schönheitswettbewerb ist jezt nach London verlegt worden.

Aus der besonders betroffenen Stadt Kaduna hat eine Massenflucht eingesetzt. Hunderte Menschen brachten sich am Sonntag in Sicherheit, wie Augenzeugen berichteten. Die Auseinandersetzungen, die am Mittwoch begannen, forderten allein in Kaduna mindestens 215 Todesopfer. Die Kandidatinnen für die Miss-World-Wahl verließen das westafrikanische Land fluchtartig; der Wettbewerb soll nun am 7. Dezember in London stattfinden.

Die Menschen verließen Kaduna, eine Stadt etwa 360 Kilometer nordöstlich von Abuja, in Autos, Bussen oder zu Fuß; zuvor hatten sie ihre Wertsachen zusammengerafft. Die meisten Geschäfte blieben geschlossen. In Kaduna lebt neben der muslimischen Bevölkerungsmehrheit eine große christliche Minderheit.

Die geplante Kür der schönsten Frau der Welt hatte in der Stadt schwere Zusammenstöße zwischen den Christen und Muslimen ausgelöst, die den Wettbewerb aus moralischen Gründen ablehnen. Rund 500 Menschen wurden verletzt, 4.500 wurden obdachlos, mehr als 20 Kirchen und rund zehn Moscheen zerstört. Die Unruhen hatten sich am Freitag auch auf die Hauptstadt Abuja ausgeweitet, wo die Misswahl ursprünglich abgehalten werden sollte.

Nach Bekanntwerden der Nachricht, dass die Miss-Wahlen nach London verlegt wurden, kam es zu Ausschreitungen von Christen in mehreren Stadtteilen Kadunas. Sie werteten die Verlegung als "Sieg der Muslime", wie das Rote Kreuz berichtete. Im Stadtteil Trikania gingen einzelne Gruppen mit Stöcken und Messern aufeinander los. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden zwei Sicherheitsbeamte festgenommen, die 15 Muslime getötet und in einen Fluss geworfen haben sollen. Daneben lägen den Behörden weitere Berichte von gezielten Schüssen auf Zivilisten vor, sagte Shehu Sani vom Kongress für Bürgerrechte.

Nach wochenlangen Protesten von Muslimen, die sich durch die Miss-Wahl in ihrem Glauben verletzt sahen, kam es Mitte vergangener Woche zum offenen Aufruhr. Anlass war ein Zeitungsartikel, in dem die Kritik der Muslime flapsig zurückgewiesen wurde. Der Verfasser schrieb, selbst der Prophet Mohammed hätte vielleicht eine Kandidatin zur Frau genommen. Fundamentalisten fassten dies als grobe Beleidigung ihres Glaubens auf. Die Zeitung entschuldigte sich daraufhin.

Die Sprecherin des Miss-World-Veranstalters, Stella Din, erklärte, die Verlegung des Wettbewerbs nach London erfolge zum Wohle des nigerianischen Staates. "Obwohl wir glauben, dass die Gewalt eigentlich nichts mit uns zu tun hat, wollen wir weiteres Blutvergießen vermeiden."

Die Präsidentin des Wettbewerbs, Julia Morley, machte die Medien für den Druck auf die Kandidatinnen verantwortlich. Sie hätten Nigeria verlassen müssen, weil die Miss-Wahl in der Berichterstattung mit den Unruhen in Verbindung gebracht worden sei. Mindestens zwei der Bewerberinnen hatten Abuja bereits vor der Verlegung des Wettbewerbsorts verlassen. Die anderen rund 80 Schönheitsköniginnen trafen am Sonntagmorgen in London ein. Auch in Großbritannien protestierten einige Muslime gegen die Miss-Wahl und forderten deren Absage.

(RPO Archiv)
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