Analyse Union und SPD schielen schon auf 2017

Berlin · Nach gut einem Jahr miteinander in der Regierung sind Union und SPD einander schon überdrüssig. Beide Seiten schmieden schon Pläne, wie der nächste Bundestagswahlkampf laufen soll. Auf Besserung besteht kaum Aussicht.

Am Abend des grandiosen Wahlsiegs der Union bei der Bundestagswahl 2013 hatte die Kanzlerin in der Zeit zwischen den Hochrechnungen und den ersten Ergebnissen weniger gute Laune. Einer, der an dem Abend in der Parteizentrale dabei war, berichtet, die Kanzlerin habe sich besorgt gezeigt, als sich zwischenzeitlich eine absolute Mehrheit für die Union abzeichnete. Mit einer hauchdünnen Mehrheit zu regieren, ist immer schwierig. Auch schien ihr die Aussicht, allein mit der Schwester CSU im Bunde zu sein, nicht verlockend.

Doch genau die Devise "absolute Mehrheit" hat CSU-Chef Horst Seehofer intern bereits für den Wahlkampf 2017 als Ziel ausgegeben. Sein Kalkül: Sollte es die FDP nicht mehr in den Bundestag schaffen, wohl aber die AfD, wie es derzeit die Umfragen nahelegen, dann darf sich die Union nicht SPD oder Grünen ausliefern, sondern muss sich auf sich selbst verlassen.

Die Fortsetzung einer großen Koalition erscheint nach gut einem gemeinsamen Jahr weder Union noch SPD verlockend. Man ist einander bereits überdrüssig. Die SPD nervt die Union mit ihrem Aktionismus und ihrem Profilierungsdrang. Die Union nervt die SPD mit ihrer Bräsigkeit und dem Talent der Kanzlerin, auch ohne Profilierung Zustimmung in der Bevölkerung zu erhalten.

Es besteht keine Aussicht, dass das besser wird. Im Gegenteil: Die Sozialdemokraten drehen noch weiter auf und basteln bereits an konkreten Themen, Aufstellung und Strategie für den Wahlkampf 2017. Die CDU hingegen hat drei Kommissionen unter den eher vagen Überschriften "Lebensqualität", "Arbeit der Zukunft" und "Bürgergesellschaft" ins Leben gerufen, die nur unwesentlich schneller als Wanderdünen vorankommen. Die CSU hat dieses Problem der Union durchaus erkannt. Bei der Klausur der Landesgruppe in Wildbad Kreuth Anfang des Monats mahnte CSU-Chef Horst Seehofer, wer 2017 ernten wolle, müsse heute säen. Als zentrale Botschaft verabschiedete die CSU allerdings ein Papier, das eher unter die Rubrik "Ernte" fällt: Zur Zuwanderung listete sie viele Punkte auf, die in der großen Koalition längst Beschlusslage sind.

Die Sozialdemokraten arbeiten hingegen sehr systematisch an neuen Themen für 2017. Im Willy-Brandt-Haus wird schon ein Plan entworfen, wie die SPD im Wahljahr von sozialen Netzwerken im Internet bis hin zu Hausbesuchen möglichst viele Bürger persönlich erreicht. Vizekanzler Sigmar Gabriel setzt sich dafür ein, die für den Wahlkampf so wichtige Wirtschaftskompetenz für seine Partei zurückzuerobern. Sein offener Konflikt mit dem linken Parteiflügel über die deutsche Haltung zum Freihandelsabkommen TTIP ist einer der vielen Belege für seine Strategie. Auch sein gemeinsames Bekenntnis mit Arbeitsministerin Andrea Nahles in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung", dass die Agenda 2010 grundsätzlich richtig war und Deutschland vorangebracht habe, ist in diesem Sinne zu verstehen. Nachdem die SPD die Agenda 2010 in vielen Punkten abgemildert hat, will sie nun aber auch noch mit ihren positiven Auswirkungen in Verbindung gebracht werden, wie beispielsweise der stark gesunkenen Arbeitslosigkeit.

Obwohl es noch knapp drei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl sind, setzt die SPD bewusst ein Thema nach dem anderen auf die Tagesordnung, das sie bei der Union nicht durchbekommt. Die Strategie: Die Sozialdemokraten sagen vernehmbar, was sie ändern wollen. Denn im Wahlkampf werden nur jene Themen zünden, über die auch während der Legislaturperiode Debatten geführt wurden. Wie das geht, hatte die Union 2013 mit dem Thema Mütterrente eindrucksvoll belegt.

Deshalb ist es auch kein Zufall, dass sich die Arbeitsministerin plötzlich für eine Erhöhung der Abgeltungssteuer stark macht. Auch ein Einwanderungsgesetz, das die Union ablehnt, dürfte im nächsten Wahlkampf Eingang ins Programm der SPD finden. Gleiches gilt für die von Familienministerin Manuela Schwesig propagierte 32-Stunden-Woche für junge Eltern. Selbstverständlich sind auch alte Bekannte wie die Bürgerversicherung für Gesundheit neu in der Verlosung. Und so eng Union und SPD auch auf dem Feld der Außenpolitik zusammenarbeiten, so sicher kann man sein, dass sich die Unterschiede der Putin-Versteher und der Putin-Gegner im Wahlkampf stärker zeigen werden.

Die SPD ist fest entschlossen, im nächsten Wahlkampf nichts dem Zufall zu überlassen. In einer vertraulichen Runde äußerte ein führender Sozialdemokrat: "Wir müssen immer vorbereitet sein, egal ob wir in einem halben Jahr oder erst 2017 den Wahlkampf beginnen."

Stand heute ist zu erwarten, dass sich SPD-Chef Gabriel und Kanzlerin Merkel im Duell um die Kanzlerschaft 2017 als Konkurrenten gegenüberstehen. Im Wahlkampf ist Merkel für die CDU Fluch und Segen zugleich: Mit ihrem Amtsbonus und ihren sensationellen Umfragewerten kann die Partei sie als Selbstläufer ins Rennen schicken. Doch eben diese Gewissheit ist für die CDU auch gefährlich. Ohne konkrete Konzepte und Profilierung bei Zukunftsthemen wird die Zahl der Unzufriedenen wachsen. Zumal diese nicht mehr nur links von der Union eine politische Alternative haben.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der 2017 seinen ersten Bundestagswahlkampf organisieren muss, hat bislang vor allem in die Partei hineingewirkt. Es ist Zeit, die Nase auch öfter mal nach draußen zu strecken. Deshalb war sein Vorstoß zum Einwanderungsgesetz grundsätzlich richtig. Die CDU muss es wagen, vom Burka-Verbot bis zum Einwanderungsgesetz die Themen stärker öffentlich zu diskutieren. Tauber wird auch die Themen-Kommissionen, die derzeit vor allem für Ruhe in der Partei sorgen, nötigen müssen, konkrete Vorschläge zu machen.

(qua)
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