"Schlmapige Amtsführung" im NPD-Verbotsverfahren Union steht Schily auf den Füßen

Berlin (rpo). In der V-Mann-Affäre gerät Bundesinnenminister Otto Schily weiter unter Druck. Die Union erneuerte am Donnerstag ihre Rücktrittsforderung wegen "schlampiger Amtsführung". Bayerns Innenminister Günther Beckstein warf Schily vor, das Vertrauen zwischen Regierung, Bundestag und Bundesrat schwer gestört zu haben.

Schily forderte die Länder dagegen auf, zu ihrer eigenen Verantwortung für den Skandal zu stehen. Das Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestags prüft die Einsetzung eines Sonderermittlers in der Affäre.

Diese hatte am Dienstag mit der Aussetzung des NPD-Verbotsverfahrens durch das Bundesverfassungsgericht begonnen. Zuvor hatten die Richter beiläufig erfahren, dass in den Verbotsanträge Äußerungen eines ehemaligen V-Mannes des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes als Beweis aufgeführt sind.

Schily richtete vor allem an das Land Bayern den Vorwurf, für die Informationspannen mitverantwortlich zu sein. Die Münchner Landesregierung habe sich dafür eingesetzt, das Verfassungsgericht nicht über den V-Mann zu informieren. "Ich finde, wir sollten alle zu unserer gemeinsamen Verantwortung stehen", sagte der SPD-Politiker im ZDF-Morgenmagazin. Es dürfe sich "niemand seitwärts in die Büsche stehlen und sagen, ich bin aus dem Spiel".

Beckstein wies den Vorwurf Schilys zurück und beschuldigte ihn im Gegenzug, die Schuld wahrheitswidrig auf andere abwälzen zu wollen. Das Bundesinnenministerium trage durch "unglaubliche Leichtfertigkeit und die mehrfachen Pannen" dazu bei, dass nun "Rechtsextreme glauben, jubeln zu können", erklärte der CSU-Politiker.

CDU-Innenexperte Erwin Marschewski forderte Schily erneut auf, seinen Schreibtisch wegen Schlamperei in seinem Hause zu räumen. "Ein vernünftiger Minister muss die Verantwortung für diese Dinge tragen", sagte er der AP.

Schily sieht Prozess nicht gefährdet

Den Verbots-Prozess sieht Schily trotz der Pannen nicht in Gefahr. Er wolle sich mit den Prozessbevollmächtigten sowie den Innenministern der federführenden Länder im Verbotsverfahren - Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen - treffen, um sicher zu stellen, dass "da nichts anbrennen kann".

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch sieht dagegen die Erfolgsaussichten des Verbotsverfahrens gefährdet und forderte im ZDF, die NPD politisch zu bekämpfen. Der politische Ansatz, die Partei durch ein Verbotsverfahren aus dem Spiel zu nehmen, sei gefährdet, meinte Koch. Es sei schließlich keine Lappalie, mit falschen und unvollständigen Informationen vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen.

Union, FDP und Grüne sprachen sich derweil dafür aus, einen Sonderermittler mit der Aufklärung der Affäre zu beauftragen. Die Parlamentarische Kontrollkommission des Bundestags wollte noch am Abend über eine solche Maßnahme abstimmen.

Die Grünen bekräftigten ihre Forderung nach einer Geheimdienstreform. Dazu solle noch in dieser Legislaturperiode eine Kommission nach Vorbild des Expertengremiums zur Bundeswehrreform eingesetzt werden, sagte Rechtsexperte Volker Beck der AP. Eine Maßnahme zur Verbesserung der Kontrolle von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischem Abschirmdienst könnte die Einsetzung eines Geheimdienstbeauftragten beim Bundestag sein.

(RPO Archiv)
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