Brüssel Union hält an Sprachtest auch nach dem EU-Urteil fest

Brüssel · Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, dass Angehörige in Deutschland lebender Türken keinen Sprachtest mehr ablegen müssen, hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. "Das Beherrschen der deutschen Sprache ist eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für gelingende Integration in Deutschland, davon dürfen wir nicht abrücken", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer unserer Zeitung. Dafür müssten notfalls auch die Gesetze geändert werden. "Generell werden wir weiterhin auf die deutsche Sprache als Schlüssel zur Integration achten."

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), bekräftigte die Haltung der Regierung, wonach "eine erfolgreiche Integration Sprachkenntnisse voraussetzt". Die Entscheidung beziehe sich ausschließlich auf türkische Staatsangehörige und ein bilaterales Abkommen mit Ankara. Der Sprachnachweis für Ehegatten von außerhalb der EU sei grundsätzlich "weiterhin mit dem Recht der EU vereinbar".

Vertreter von Grünen und Linken forderten hingegen, auf die Sprachprüfung für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten generell zu verzichten. Ähnlich äußerten sich Sozialverbände. Von 2005 bis Ende 2013 kamen durch den Ehegattennachzug fast 350 000 Frauen und Männer nach Deutschland. Seit 2007 müssen Ehepartner in Deutschland arbeitender Ausländer sich in deutscher Sprache verständigen können, um nachziehen zu dürfen. Gefordert sind Grundkenntnisse, die ausreichen, um nach dem Weg zu fragen oder Name und Adresse in ein deutsches Formular einzutragen. Die Vorgaben sollen Schein- und Zwangsehen verhindern und die Integration erleichtern.

Im konkreten Fall geht es um die Klage einer Türkin, die nicht bei ihrem Mann leben darf, der seit 1998 in Deutschland wohnt. Er betreibt eine eigene Firma und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Das Ehepaar hat vier Kinder - und hat sowohl vor einem Imamals auch standesamtlich geheiratet. Die deutsche Botschaft in Ankara lehnt aber bisher die Erteilung eines Visums für den Ehegattennachzug ab, da die Frau Analphabetin ist und damit nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt.

Das Verwaltungsgericht Berlin wandte sich an das EU-Gericht, um zu klären, ob die deutsche Spracherfordernis mit dem EU-Recht vereinbar ist. Der Gerichtshof verneint dies. Für die Luxemburger Richter verstößt Deutschland gegen die Stillhalteklausel im Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei von 1970. Diese verbietet die Einführung neuer Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Als solche wertet der EU-Gerichtshof aber die deutschen Regeln. Wenn die Rechtsvorschriften "die Familienzusammenführung erschweren oder unmöglich machen", sei der Arbeitnehmer "unter Umständen zu einer Entscheidung zwischen seiner Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat und seinem Familienleben in der Türkei gezwungen".

(may-)
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