Uni Bayreuth demontiert Guttenberg

Fälschungen und komplett kopierte Passagen durchziehen nach Ansicht der Gutachter die Doktorarbeit des Ex-Verteidigungsministers als "werkprägendes Arbeitsmuster". Der CSU-Politiker versucht, die Plagiate mit beruflichen und familiären Belastungen zu begründen.

Bayreuth Der Vorwurf lautet nun "vorsätzliche Täuschung". Die Universität Bayreuth kommt in ihrem Abschlussbericht zur Doktorarbeit des Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu einem vernichtenden Ergebnis.

Die Hochschule hatte dem CSU-Politiker bereits am 23. Februar den Doktortitel aberkannt, am 1. März legte Guttenberg unter dem zunehmenden Druck sein Amt als Verteidigungsminister nieder.

Aus Sicht des Vorsitzenden der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft", Stephan Rixen, der die Untersuchung leitete, hat Guttenberg "die Sorgfaltswidrigkeit zum bewussten Arbeitsstil erhoben". Fälschungen durchziehen die Arbeit demnach als "werkprägendes Arbeitsmuster". "Angesichts der Fülle der Einzelplagiate kann man nicht mehr von bloßen Bagatellverstößen sprechen", heißt es in dem Bericht.

In einer schriftlichen Stellungnahme für die Kommission räumte Guttenberg eine "ungeordnete Arbeitsweise" mit "gelegentlich chaotischen Zügen" ein. Dadurch habe er den Überblick über seine Quellen verloren. Hintergrund sei die "vielfache Arbeitsbelastung" durch die Übernahme neuer beruflicher Tätigkeiten und politischer Ämter gewesen. Hinzugekommen sei die Erwartungshaltung der Familie, die bestehenden Anforderungen erfolgreich zu bewältigen. "Er beschreibt letztlich, dass es sich eher um eine große Schlamperei in Folge von Dauerstress handelt", resümierte Stephan Rixen.

Das Gremium erkannte diese Argumentation nicht an: Im Wissen um eine sich über Jahre hinziehende "zeitliche Dauerüberforderung" habe sich Guttenberg entschieden, "über alle selbst erkannten Warnzeichen hinwegzusehen". Wer jahrelang akzeptiere, dass er Sorgfaltsstandards nicht einhalten könne, "handelt nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, weil er die Sorgfaltswidrigkeit zum bewussten Arbeitsstil erhebt". "Evidente Plagiate" hätten sich über die ganze Arbeit verteilt gefunden, sagte Rixen. Guttenberg habe sowohl wortwörtlich abgeschrieben als auch Inhalte übernommen, ohne dies entsprechend zu kennzeichnen.

Anhaltspunkte dafür, dass Guttenberg seine Arbeit nicht selbst geschrieben, sondern von einem "Ghostwriter" habe anfertigen lassen, hätten sich allerdings nicht ergeben, sagte Rixen weiter. Die Kommission erhebt allerdings auch Vorwürfe gegen die zuständigen Stellen der Universität Bayreuth. Die Hochschule habe ihre Aufsichtspflicht "grob vernachlässigt".

Auch der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister und CSU-Generalsekretär Thomas Goppel kritisiert: "Dass die Universität sich selbst reinwäscht, halte ich nicht für gut." Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle trage Mitverantwortung. In seinem Gutachten zu Guttenbergs Arbeit hatte Häberle unter anderem gelobt, wie "gekonnt" Guttenberg mit der Forschungsliteratur umgehe. "Ein Doktorvater, der summa cum laude vergibt, und die eigenen Textstellen nicht einmal sieht, die da angeblich auch dabei sind, ist jemand, der im Betreuen des Doktoranden nicht genau genug und konkret genug gewesen ist", sagte Goppel.

Die Vize-Präsidentin des Deutschen Hochschulverbandes, Johanna Hey, hält das Ergebnis der Untersuchung für "das einzig Plausible. So etwas geschieht nicht fahrlässig." Sie erhoffe sich, dass deutlich werde, dass der Diebstahl geistigen Eigentums kein Kavaliersdelikt ist. Der Verband fordert außerdem, dass Universitäten von ihren Doktoranden künftig eidesstattliche Erklärungen verlangen. "Die schriftliche Lüge ist nicht strafbar. Ohne eine solche Erklärung gibt es keine strafrechtliche Handhabe."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Meinung über den Ex-Minister nicht geändert. Sie nehme die Stellungnahme sehr ernst. Genauso ernst nehme sie aber das, was Guttenberg ihr in vertraulichen Gesprächen dargelegt habe, sagte Regierungssprecher Christoph Steegmans. Merkel hatte dem CSU-Politiker noch kurz vor dessen Rückzug aus der Politik "ausgezeichnete Arbeit" als Minister bescheinigt und gesagt, das sei das, was für sie zähle.

Eine Rückkehr Guttenbergs auf die politische Bühne halten viele Beobachter jetzt aber für unwahrscheinlich. Er selbst hat die Öffentlichkeit seit seinem Rücktritt gemieden. Einer der wenigen, die noch offen für ihn eintreten, ist der CSU-Abgeordnete Norbert Geis: "Wenn Guttenberg nicht mehr zurückkommen darf, dann hätten viele namhafte Politiker der Geschichte auch nicht zurückkehren dürfen", sagte Geis unserer Zeitung.

Der hochschulpolitische Sprecher der SPD, Swen Schulz, erklärte dagegen: "In der SPD hätte jemand mit einer solchen Vorgeschichte keine Chance mehr." Die Plagiatsaffäre werde jedoch nach wie vor von vielen Bürgern als Kavaliersdelikt angesehen. "Wenn er dabei gefilmt worden wäre, wie er ein Buch stiehlt, wäre er sofort weg gewesen", so Schulz.

Für den hochschulpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, Kai Gehring, belegt der Bericht, dass Guttenberg "mit der Arbeit vorsätzlich getäuscht sowie den Bundestag und die Öffentlichkeit dreist belogen hat". Die fast 900 Plagiate belegten ein "wissenschaftliches Fehlverhalten par excellence".

Der Ex-Minister muss weitere Folgen fürchten: Die Justiz in Hof ermittelt gegen ihn wegen Verstößen gegen das Urheberrecht – mehr als 100 Anzeigen liegen vor. Ein Zwischenbericht wird im Juni erwartet.

Internet Das Gutachten zum Download unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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