London Unabhängigkeit – London setzt Schotten unter Druck

London · Das Vereinigte Königreich steht vor einer Zerreißprobe, seit feststeht, dass die Schotten 2014 über ihre mögliche Unabhängigkeit abstimmen werden. Der rechtliche Rahmen und die Folgen des Referendums sind zwischen den Nationalisten in Edinburgh und London hochumstritten und könnten das nahende Diamantene Thronjubiläum der Queen überschatten.

Die seit 2007 in Edinburgh regierende Scottish National Party (SNP) verfolgt ein "heiliges Ziel" – den 1707 unterzeichneten Unionsvertrag mit England eines Tages zu kündigen und die fünf Millionen Schotten in die Unabhängigkeit zu führen. Der Populist Alex Salmond (57) hatte früher als Chef einer Minderheitsregierung keine reale Kraft, um dieses Versprechen zu erfüllen. Zum großen Ärger des britischen Premierministers David Camerons errang die SNP jedoch im Mai 2011 bei ihrem historischen Wahltriumph 68 Sitze und damit die Mehrheit im 129-köpfigen Regionalparlament Holyrood.

Damit war der Weg frei für eine "Schicksalsabstimmung", die ein erster Schritt zur Abnabelung der stolzen Whisky-Brenner und Kilt-Träger werden könnte. Der Separatismus in Schottland nimmt seit Jahren langsam, aber beständig zu. Laut der letzten Umfrage stieg die Zahl der Anhänger der Unabhängigkeit zwischen August und Dezember um drei Zähler auf 38 Prozent, während die Unterstützung für die Union mit England auf 57 Prozent sank.

Als gewiefter Stratege wollte Salmond noch einige Jahre mit der Volksabstimmung warten, um von diesem Trend zu profitieren. Er gab die Hinhaltetaktik erst auf, als Cameron auf der ersten Kabinettssitzung im neuen Jahr die Schotten dazu aufforderte, die "rechtliche Unklarheit zu beenden".

Salmonds Strategie besteht jetzt darin, das Referendum nach dem 700. Jahrestag der Unabhängigkeits-Schlacht von Bannockburn (23. Juni 1314) abzuhalten, in der der schottische König Robert the Bruce seinen englischen Rivalen Edward II. besiegt hatte. Doch Cameron will der SNP diesen patriotischen Bonus bei der Abstimmung nicht gönnen, weswegen Westminster ein Referendum binnen eines Jahres fordert. Dabei besteht London auf einem klaren Ja oder Nein zur Unabhängigkeit. Die Regierung in Edinburgh will als dritte Möglichkeit auch eine Teilautonomie zur Wahl stellen. Dann würden die Schotten etwa die Hoheit über ihre Finanzen haben, aber eine gemeinsame Außenpolitik und Verteidigung mit England.

Camerons Vorstoß hat den separatistischen Geist aus der Flasche befreit, was die konservativ-liberale Koalitionsregierung in London mittlerweile bereut. "Wir wollen nicht unsere Bedingungen diktieren", hieß es zuletzt in der Downing Street. Genau das bezweifeln die SNP-Minister. "Politische Führer von großen Nationen können nicht der Versuchung widerstehen, kleine Nationen zu drangsalieren", kritisierte Salmond die "tölpelhaften" Tories.

Während der britische Finanzminister George Osborne den Schotten mit Wohlstandsverlust droht, weil sie als unabhängige Nation das Pfund aufgeben und den Euro übernehmen müssten, kontert sein schottischer Kollege: "Hätte das unabhängige Schottland vollen Zugriff auf alle seine Ressourcen, stünden wir auf Platz sechs unter 34 OECD-Staaten, zehn Plätze vor Großbritannien." Die SNP blickt vor allem auf die Gas- und Ölfelder in der Nordsee, die bis 2017 umgerechnet 65 Milliarden Euro in die Staatskassen spülen sollen.

(RP)
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