Mehr Macht für die Umweltpolitik Umwelt-Sachverständige wollen Vetorecht für Gesetze

Berlin · Forscher wollen künftig jungen Generationen mehr Macht bei der Gesetzgebung einräumen. Auch das Umweltministerium soll mehr Einfluss bekommen. Doch der Expertenrat steht nicht geschlossen hinter den Ideen.

 Ein Schaufelradbagger arbeitet sich im Tagebau Garzweiler durch das Erdreich. Noch fehlt ein Gesetz, das den beschlossenen Kohleausstieg bis 2038 besiegelt.

Ein Schaufelradbagger arbeitet sich im Tagebau Garzweiler durch das Erdreich. Noch fehlt ein Gesetz, das den beschlossenen Kohleausstieg bis 2038 besiegelt.

Foto: dpa/Federico Gambarini

BERLIN Mehr Macht und mehr Einfluss für die Umweltpolitik. Das ist das Ziel mehrerer Maßnahmen, die der Sachverständigenrat für Umweltfragen in einem Gutachten zusammengetragen hat. Das Gremium, das Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) berät, warnt vor einer „unumkehrbaren ökologischen Krise“ und sieht Handlungsbedarf bei Demokratie und Rechtsstaat. Auf den mehr als 270 Seiten findet sich unter anderem der Vorschlag, einen neuen „Rat für Generationengerechtigkeit“ zu schaffen und diesen Rat sowie das Umweltministerium mit einem Vetorecht bei der Gesetzgebung auszustatten.

Käme es so, könnte das Umweltressort auch Gesetzes außerhalb seiner Zuständigkeit anstoßen und regulierend in Wirtschaft, Verkehr oder den Agrarsektor eingreifen. Andersherum könnte es Gesetze, die nicht dem Umweltschutz helfen, mit einem sogenannten suspensiven Votum aufhalten. Über ein solches offizielles Instrument verfügt bisher nur etwa der Bundesfinanzminister. Der erdachte „Generationenrat“ würde zudem darauf achten, dass Gesetze der Bundesregierung im Sinne junger und künftiger Generationen sind – auch die Mitglieder dieses Gremiums könnten von einem Vetorecht Gebrauch machen.

Das entsprechende Gutachten wurde bereits an die Ministerin übergeben und soll an diesem Mittwoch bei einer mehrstündigen Veranstaltung vorgestellt und diskutiert werden. Angesichts der scharfen Kritik an dem beschlossenen Klimaschutzpaket der Bundesregierung dürften sich viele der Experten bestätigt sehen, dem Umweltressort mehr Einfluss verleihen zu wollen.

Doch nicht alle der neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen hinter den Ideen. Die Bauexpertin Lamia Messari-Becker, die als Professorin an der Universität Siegen lehrt, sieht den Vorschlag eines neuen, mächtigen Generationenrates kritisch. „Ein Expertengremium, das keine demokratische Legitimation besitzt, mit einer solchen Machtfülle auszustatten, ist mit unserer parlamentarischen Demokratie meines Erachtens nicht vereinbar“, sagte sie auf Anfrage. Entsprechende Einwände ihrerseits tauchen aber nur in der Langfassung des Gutachtens auf. „Ich bedauere es sehr, dass der Sachverständigenrat für Umweltfragen sich nicht in der Lage sah, mein abweichendes Votum in die Kurzfassung unseres Gutachtens aufzunehmen oder auch nur einen Hinweis dazu zu geben“, sagte Messari-Becker.

Auch im Umweltressort sieht man die Vorschläge kritisch, zumindest was ein offizielles Vetorecht für das Ministerium betrifft. „Ein solches Vetorecht bringt uns nicht weiter“, sagte ein Sprecher. Denn die Geschäftsordnung der Bundesregierung sehe bereits heute vor, dass alle betroffenen Ministerien einverstanden sein müssten, bevor eine Initiative ins Kabinett komme.

(jd)
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