U-Bahn-Gewalt: Justiz bei Urteilen ohne klare Linie

Karlsruhe/Berlin (RP) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Gewaltausbruch in der Nürnberger U-Bahn, bei dem im April das 17-jährige Opfer nach Herzstillstand reanimiert werden musste, nicht als versuchten Totschlag gewertet. Der BGH bestätigte damit das Urteil des Landgerichts Nürnberg, das den rechtsextremen Schläger wegen schwerer Körperverletzung zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsentzug verurteilt hatte. Der Täter hatte den linksgerichteten Jugendlichen, der sich abfällig über ein Accessoire der Begleiterin des Rechtsextremisten geäußert hatte, in den Bauch und – nachdem das Opfer schon am Boden lag – ins Gesicht getreten. Der BGH entschied: Da Täter und Opfer die U-Bahn verließen und der Kollaps eingetreten sei, ohne dass dies der Täter noch bemerkt habe, sei dieser sich nicht bewusst gewesen, dass er sein Opfer in Lebensgefahr gebracht hatte. Deshalb scheide versuchter Totschlag aus (Az.: 1 StR 400/11).

Das Landgericht Berlin verurteilte dagegen vier Schüler in einem ähnlich gelagerten Fall wegen versuchten Mordes zu Jugendstrafen zwischen vier und sechs Jahren. Die Täter sind zwischen 15 und 18 Jahre alt. Das Gericht war überzeugt, dass die jungen Migranten im Februar dieses Jahres aus "Lust an der Gewalt" zwei 30-jährige Handwerker durch Schläge und Tritte schwer misshandelt hatten. Ein Opfer konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Sein Arbeitskollege kam mit Blutergüssen davon.

In dem nicht öffentlichen Verfahren hatten die Jugendlichen die Misshandlungen zwar eingeräumt, eine Tötungsabsicht aber bestritten. Die Täter waren nicht vorbestraft.

Nach Angaben eines Justizsprechers sah das Gericht niedrige Beweggründe als Motiv an. Aus "völlig sinnloser Lust an der Gewalt" hätten die Angeklagten die beiden Handwerker "zu Opfern ihrer Wut gemacht", hieß es. Das Gericht bescheinigte den vier Jugendlichen, "mit großer Brutalität" gegen die beiden Männer vorgegangen zu sein. Die Folgen für die Opfer seien gravierend und würden bis heute andauern, hieß es.

Das Urteil entspricht im Wesentlichen dem Antrag des Staatsanwalts. Entgegen der Auffassung des Anklägers habe das Gericht allerdings nicht sicher feststellen können, dass das "treibende Motiv" Hass auf Deutsche gewesen sei, sagte der Justizsprecher.

(RP)
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