Brüssel TV-Show um Abschiebung

Brüssel · Heute startet der niederländische Sender "Nederland 3" eine neue Fernsehsendung. In dem umstrittenen Format spielen Asylbewerber, deren Asylantrag bereits abgelehnt wurde, um 4000 Euro für einen neuen Start in ihrer alten Heimat. Provokation oder ernst gemeint?

Der Werbespot von Hollands Skandal-Show beginnt harmlos und wirkt wie für ein gewöhnliches Reise-Quiz gemacht: Untermalt von Schnulzenmusik kommt ein Comic-Flugzeug ins Bild und kurvt über den bonbonfarbenen Sende-Titel "Raus aus den Niederlanden". "Wer will nicht mal wieder schön wegfahren?" sagt Sunnyboy-Moderator Waldemar Torenstra und legt seine Arme lässig auf die Schultern zweier Model-Assistentinnen im Stewardess-Look.

Doch dann kommt die unerwartete Wende: "Unsere Gäste müssen leider weg. Denn sie sind abgelehnte Asylbewerber", klärt Torenstra die Zuschauer mit fröhlicher Animateur-Miene auf. "Aber wir lassen sie nicht mit leeren Händen gehen."

Richtig gehört: Hollands TV-Aufreger Nummer eins ist eine Abschiebe-Show. Fünf junge Menschen, die nicht länger im Polderland bleiben dürfen, sollen in einem Quiz ihr Wissen über die Niederlande beweisen – darunter eine Luftfahrttechnik-Studentin aus Kamerun und ein angehender Slawistik-Absolvent, der in seine Heimat Tschetschenien abgeschoben wird.

Wer sich am besten mit Oranjes Königshaus, Geschichte, Show-Stars und Sport-Assen auskennt, gewinnt 4000 Euro "für einen Neuanfang im Herkunfts-Land". Das sei "ein nettes Nebeneinkommen für jemanden, den schon in kurzer Zeit die Niederlande verlassen muss", heißt es bei den öffentlich-rechtlichen Machern des Formats von VPRO.

Damit nicht genug. Die Zuschauer dürfen mitspielen und können eine Traumreise auf die niederländische Antillen-Insel Curaçao gewinnen. Im Internet rollt eine Welle der Empörung gegen diesen Gipfel der Geschmacklosigkeit mit Gebührengeld, der heute um 20.30 Uhr auf Nederland 3 ausgestrahlt wird. Der Sender versteht die Aufregung nicht: Immerhin gehe es darum, "abgelehnten Asylbewerbern ein Gesicht zu geben", die oft jahrelange Justiz-Qualen hinter sich hätten, heißt es. Zudem berufen sich die Verantwortlichen darauf, dass die Show in einem speziellen Format für Fernseh-Experimente läuft (TV-Laboratorium). Ziel des TV Lab sei es, "Grenzen auszuloten" und Kontroversen anzuzetteln.

Kann so viel Zynismus wirklich ernst gemeint sein?, fragen sich indes viele Holländer. Sie erinnern sich an den Bluff der "Grote Donorshow" auf dem Privat-Sender BNN im Jahr 2007. Dort kämpften Kandidaten, die alle dringend eine neue Niere brauchten, um das Spenderorgan der jungen unheilbar kranken Lisa. Am Ende entpuppte sich die Skandal-Show als Bluff. Das Ziel: Die Macher wollten auf den Mangel an Spenderorganen aufmerksam machen. Damals diskutierten die Niederlande wochenlang über die Grenzen des "guten Geschmacks" – und Moral wie Ethik im TV. Die Kontroverse hinterließ Wirkung. Seinerzeit ließen sich Tausende Niederländer als potenzielle Organspender registrieren.

Welchen Zweck die Macher von "Raus aus den Niederlanden" verfolgen, wird sich heute Abend zeigen. Fest steht: Mit der kontroversen Einwanderer-Thematik zu scherzen, ist im Land des populären Rechtspopulisten Geert Wilders riskant. Der Islamgegner duldet die Minderheits-Regierung und verhindert mit seiner Ausländer-Hetze jede rationale Immigrations-Debatte.

Völlig neu ist die provokante Idee der Fernseh-Macher jedoch nicht. Der verstorbene deutsche Regisseur Christoph Schlingensief sorgte bei den Wiener Festwochen vor Jahren mit seinem Filmprojekt "Ausländer raus!" für Wirbel. Um Fremdenfeindlichkeit im Westen anzuprangern, wählte er das Modell der bekannten Voyeur-Show "Big Brother". In seinem Container saßen Asylbewerber, die um die Gunst des Publikums buhlten. Die Zuschauer konnten sie mit ihrem Votum rausschmeißen – aus dem Container wie aus dem Land. Vielleicht greifen die niederländischen TV-Provokateure diese Idee ja auch noch auf.

(RP)
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