Ankara Türkischer Polizist erschießt russischen Botschafter in Ankara

Ankara · Offenbar ein Mitglied einer türkischen Spezialeinheit hat den russischen Botschafter in der Türkei während einer Ausstellungseröffnung mit Pistolenschüssen getötet. Die Tat könnte die türkisch-russischen Beziehungen belasten.

Der russische Botschafter in der Türkei, Andrej Karlow, ist gestern in Ankara von einem bewaffneten Mann niedergeschossen worden. Der Diplomat wollte eine Foto-Ausstellung eröffnen, die sich mit dem Russland-Bild der Türken beschäftigt. Karlow wurde sofort in ein Krankenhaus eingeliefert und erlag später seinen Verletzungen. Der Täter wurde von einem türkischen Polizeikommando getötet. Zuvor hatte er nach den Schüssen gerufen "Vergesst nicht Aleppo, vergesst nicht Syrien!". Das türkische Innenministerium bestätigte, dass es sich bei dem Angreifer um einen türkischen Polizeibeamten gehandelt habe, der seit zwei Jahren in Ankara eingesetzt war. International wurde das Attentat mit Bestürzung aufgenommen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unterrichtete seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin telefonisch über das Attentat. Das Moskauer Außenministerium erklärte, der Anschlag werde als Terrorakt eingestuft. Der Vorfall sollte noch gestern vor den UN-Sicherheitsrat gebracht werden. Das Moskauer Präsidialamt erklärte, Präsident Wladimir Putin lasse sich über die Ereignisse unterrichten. Zu der Tat bekannte sich zunächst niemand.

Der glatt rasierte Attentäter im gepflegten schwarzen Anzug hatte den Ausstellungsraum betreten und sich zunächst hinter dem Botschafter postiert, als dieser die Veranstaltung im Zentrum für Zeitgenössische Kunst in Ankara eröffnete. Der Attentäter, der später laut türkischen Medienberichten als Mert Altintas identifiziert wurde, schoss mehrfach dem russischen Diplomaten in den Rücken. Er schrie auf Türkisch: "Solange unsere Städte nicht sicher sind, seid ihr auch nicht sicher." Auf Arabisch rief er: "Gott ist groß. Wir haben dem Propheten Mohammed und dem Heiligen Krieg Treue geschworen."

Während der Bombardierung von Aleppo durch russische Truppen hatte es bereits mehrfach Demonstrationen vor der russischen Botschaft in Ankara gegeben. Die Sicherheitskräfte hätten also gewarnt sein müssen. Das türkische Außenministerium betonte in einer Stellungnahme, man werde es nicht zulassen, dass der Anschlag "einen Schatten auf die türkisch-russische Freundschaft" werfe. Die für heute geplanten Syrien-Verhandlungen in Moskau sollen trotz Karlows Ermordung wie geplant stattfinden. Das Treffen von Ministern der Türkei, Russlands und des Iran stehe weiter auf der Tagesordnung, sagte der russische Außenpolitiker Leonid Sluzki nach Angaben der Agentur Interfax: "Trotz dieser Tragödie sollten wir konstruktiv arbeiten." Moskau und Teheran unterstützen im syrischen Bürgerkrieg Präsident Baschar al Assad. Die Türkei will eine Zukunft für Syrien ohne Assad.

Die Bundesregierung verurteilte das Attentat. Der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, schrieb auf Twitter, dies sei eine sehr traurige Nachricht: "Die Bundesregierung verurteilt die sinnlose Tat auf das Schärfste." An den internationalen Finanzmärkten sorgte der Anschlag für Aufregung. Sowohl die türkische Lira als auch der russische Rubel gingen auf Talfahrt.

Einige Erdogan-Anhänger schoben die Verantwortung für den Tod des Botschafters sofort auf die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, der von Erdogan auch hinter dem Putschversuch vom Juli vermutet wird. Die Mörder des Diplomaten seien dieselben Leute, die vor einem Jahr das russische Flugzeug abgeschossen hätten, schrieb der Erdogan-Gefolgsmann und Bürgermeister von Ankara, Melih Gökcek, auf Twitter. Die Parolen von Altintas über Russland und Syrien seien lediglich ein Ablenkungsmanöver gewesen. In Wahrheit bestehe das Ziel darin, die türkisch-russischen Beziehungen zu stören.

Russland und Syrien sind seit Jahrzehnten enge Verbündete. Seit September 2015 unterstützt Putin das Assad-Regime auch militärisch im Bürgerkrieg und hat ihm zu großen Geländegewinnen verholfen. Nach Einschätzung von Menschenrechtsgruppen hat die russische Armee vor allem bei Luftangriffen rund 1700 Zivilisten getötet.

Im Gebetsraum einer Moschee in Zürich sind unterdessen gestern Abend mehrere Menschen niedergeschossen worden. Das berichtete ein Polizei-Sprecher. Nach Medienberichten wurden drei Erwachsene getroffen. Der oder die Täter seien auf der Flucht, die Verletzten kamen ins Krankenhaus, wie die Behörden mitteilten. In der Nähe des Tatorts wurde eine tote Person gefunden.

(RP)
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