Kiel Triumphaler Empfang für "Gorch Fock"

Kiel · Das Segelschulschiff wurde gestern beim Einlaufen in Kiel begeistert begrüßt. Marine-Inspekteur Axel Schimpf erinnerte aber auch an die tödlich verunglückte Soldatin. Die Offizieranwärterin war im November beim Aufentern aus den Wanten auf das Deck gestürzt.

Die 2000 Menschen auf der Mole winken mit Taschentüchern, Transparenten, Blumen und Teddybären. Groß ist die Begeisterung, als die "Gorch Fock" in den Marinestützpunkt Kiel einläuft. Begleitet wird die Dreimast-Bark von einer Armada von Segelyachten, Motorbooten und Ausflugsdampfern. Zwei Feuerlöschboote spritzen hohe Fontänen zur Begrüßung; über dem Schulschiff, das die Segel gerefft hat und mit Motorkraft einläuft, kreisen Flugzeuge und Hubschrauber.

Janne und Daniel Sommerkorn aus Hamburg verbinden mit dem einlaufenden Schiff ganz besondere Erinnerungen: Sie haben sich vor vier Jahren an Bord kennen gelernt. Der heutige Maat der Reserve trägt stolz den kleinen Anton auf dem Arm. Die Eltern haben dem knapp sechs Monate alten Kind eine "Gorch Fock"-Matrosenmütze aufgesetzt. Mutter Janne, Oberleutnant zur See, ist noch bei der Bundeswehr tätig. "Es wäre sehr schade, wenn das Schiff außer Dienst gestellt würde. Man lernt an Bord, seine Grenzen zu erkennen und zu überwinden", sagt sie. "Das Gefühl, es geschafft zu haben, ist sehr wertvoll. Das dadurch gewonnene Selbstbewusstsein kann ich auch im dienstlichen Alltag gut gebrauchen." Die Vorwürfe gegen die Besatzung müssten natürlich objektiv aufgeklärt werden, ist sich das Ehepaar einig. Doch Janne Sommerkorn gibt zu bedenken: "Im Internet kann doch jeder behaupten, er sei auf der ,Gorch Fock' gefahren und schikaniert worden. Wir haben solche negativen Erfahren nicht gemacht – im Gegenteil."

Zur Begrüßung hat die Bundeswehr ausschließlich Angehörige und Freunde der 182-köpfigen Besatzung in den Stützpunkt gelassen. "Sonst wäre das Gedränge zu groß geworden", berichtet Oberleutnant zur See Katja Messinger. Außerhalb des militärischen Geländes haben sich deshalb am Ufer viele Schaulustige verammelt, die die Ankunft ebenfalls miterleben wollen. Nachdem das Marine-Musikkorps Ostsee ein schneidiges "In the Navy" gespielt hat, dürfen die Besatzungsmitglieder von Bord und ihre Angehörigen in die Arme schließen. Die tragen teilweise Begrüßungs-T-Shirts mit "Gorch Fock"-Bildern oder bunte Papierfähnchen mit der Aufschrift: "Die ,Gorch Fock' muss bleiben." Laut werden Vornamen gerufen, Tränen fließen, Fotoapparate klicken – und mitten im aufgeregten Menschenmeer steht regungslos ein sich innig umarmendes Paar und nimmt glücklich die Welt um sich herum nicht mehr wahr.

Er sei überwältigt von dem Empfang, betont Marine-Inspekteur Axel Schimpf. Er habe mit dieser überschäumenden Freude über das Wiedersehen nach monatelanger Fahrt und mit den Solidaritätsbekundungen gerechnet. Deshalb habe er vorher einen langen Brief an die Mutter der tödlich verunglückten Offizieranwärterin Sarah Lena Seele in Bodenwerder geschrieben. Schimpf: "Ihre Tochter konnte leider diese Freude nicht mehr teilen. Gerade deshalb denken wir heute besonders an Sie."

Der Admiral zeigt sich zuversichtlich, dass die "Gorch Fock" langfristig im Dienst bleibt. Zunächst aber gehe es darum, den genauen Unfallhergang zu klären und die Vorwürfe gegen die Stammbesatzung zu untersuchen. "Sorgfalt braucht Zeit und nicht Druck. Es geht doch um die Sicherheit von Menschen." Seit mehr als 50 Jahren werde auf der "Gorch Fock" erfolgreich ausgebildet. "Ich habe keinen Grund, das Schiff infrage zu stellen." Vor dem Einlaufen in Kiel sei er zweieinhalb Tage an Bord gewesen, um mit der Stammbesatzung zu sprechen. "Ich bin auf aufgeschlossene, hochmotivierte Soldaten gestoßen. Sie waren aber auch sehr enttäuscht." So sei die erfolgreiche Kap-Hoorn-Umrundung fast gar nicht gewürdigt worden. Das bestätigt der Hauptgefreite Nick Burmester: "Wir sind entsetzt und enttäuscht über die vielen Vorwürfe gegen uns gewesen. Da waren wir doch gerade am anderen Ende der Welt und konnten uns nicht wehren. Das hat auch unsere Familien schlimm getroffen." Deshalb habe die Mannschaft noch in Argentinien einen offenen Brief verfasst, in dem sie sich solidarisch mit dem suspendierten Kommandanten Norbert Schatz zeigte. "Wir wollten einfach ein Signal geben, dass wir auch noch da sind und angehört werden müssen."

Admiral Schimpf schließt nicht aus, dass Schatz bald wieder das Kommando über den Segler übernimmt. "Ich habe mehrfach lange mit ihm gesprochen. Er weiß, dass es noch ein paar Tage dauert, bis die Untersuchungsberichte vorliegen."

Internet Bilder von der Ankunft unter www.rp-online.de/panorama

(RP)
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