Rund 1500 Menschen nahmen Abschied Trauerfeier für Regina Hildebrandt

Potsdam (rpo). Mit einer Trauerfeier in der Potsdamer Nikolaikirche verabschiedeten sich am Dienstagabend 1500 Menschen von der "Stimme des Ostens", der SPD-Politikerin Regine Hildebrandt. Sie war in der Nacht zum 27. November im Alter von 60 Jahren gestorben.

Noch einmal stand Regine Hildebrandt im Mittelpunkt. Zwar war die laute Stimme der SPD-Politikerin mit ihrem Tod vor gut einer Woche verstummt, aber viele Gäste der öffentlichen Trauerfeier in der Potsdamer Nikolaikirche glaubten sie am Dienstag trotzdem noch hören zu können. Vorne an der Kanzel hing ein großes Foto, auf dem die als "Stimme des Ostens" bekannt Gewordene ihren Trauergästen zulächelte.

"Wir sehen sie vor uns, hören ihr herrliches Lachen und schlagfertiges Streiten", sagte der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder erinnerte an die menschlichen Seiten der im Alter von 60 Jahren an ihrer Krebskrankheit Verstorbenen. "Bei all ihrer Energie und ihrem Kampfesmut strahlte sie immer auch eine Herzenswärme aus, der sich niemand entziehen konnte."

Der große Andrang zur Trauerfeier war ein Zeichen ihrer Beliebtheit. Nicht nur die 1.000 Sitzplätze der Kirche waren besetzt. Auch draußen vor den Türen nahmen trotz Schneeregens und eisiger Kälte 500 Menschen Abschied von der früheren brandenburgischen Sozialministerin. An einem Bild vor dem Eingang legten sie Kränze und Blumen nieder.

"Sie war eine erstaunliche Politikerin. Wenn alle so wären, das wäre ein Schritt in die richtige Richtung", erklärte Jürgen Kinsky, der die Zeremonie draußen an Lautsprechern verfolgte. "Sie hatte das Herz auf dem rechten Fleck", sagte die Potsdamerin Christel Otten. "Zumindest hat sie versucht, etwas für die einfachen Leute zu tun."

Ähnlich würdigten auch die geladenen Gäste drinnen in der hell erleuchteten Kirche die Verstorbene. "Regine Hildebrandt war eine Frau, die anderen Menschen Mut gemacht hat. Eine, die Zuversicht geben konnte", erklärte Kanzler Schröder in ruhigem Ton. "Sie hat uns allen gezeigt: Wenn man die Dinge so nimmt, wie sie sind, heißt das noch lange nicht, sich mit ihnen abzufinden", sagte er mit Blick auf ihren Kampfesmut.

Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis, die auch privat mit Hildebrandt befreundet war, erklärte: "Die Menschen haben ihr zugehört und sie verstanden, und sie verstand die Menschen und hat sie geliebt."

Persönlichste Worte von Stolpe

Ihr brandenburgischer Kollege Stolpe charakterisierte seine langjährige Mitstreiterin als "offen, geradlinig, glaubwürdig und selbstlos". Neun Jahre arbeitete er mit Hildebrandt in zwei Regierungen zusammen. In dieser Zeit entstand auch eine enge Verbundenheit. Stolpe wählte deshalb die persönlichsten Worte aller Redner und wandte sich direkt an Ehemann Jörg Hildebrandt und die anderen anwesenden Angehörigen.

Er erinnerte an Hildebrandts Rolle als Mittelpunkt ihrer Großfamilie, mit der sie in einem Haus in Woltersdorf bei Berlin lebte. "Regine Hildebrandt kämpft rastlos für die soziale Gerechtigkeit und schafft es dennoch, Ehefrau, Mutter, Großmutter, Koch- und Backwunder zu sein", sagte Stolpe. "Lernen wir von ihr, wie man Frankfurter Kranz bäckt." Stundenlang habe die studierte Biologin auch Vogelstimmen lauschen und Sterne beobachten können.

Für Musik interessierte sich die als "Mutter Courage des Ostens" Bezeichnete ebenfalls. 40 Jahre lang gehörte sie zur Berliner Domkantorei. Zur Trauerfeier sang ihr Chor das Requiem von Gabriel Faure. "Leider ohne die kräftige Stimme von Frau Hildebrandt", bedauerte Chormitglied Hanna Töpfer. Deren Alt sei eine Stütze des Ensembles gewesen. Das Berliner Sinfonieorchester verlor mit Hildebrandt einen treuen Abo-Gast. "Sie saß immer rechts oben im Gang", berichtete Musiker Norbert Möller.

Um der Sozialdemokratin die letzte Ehre zu erweisen, waren neben SPD-Chef Schröder und Generalsekretär Franz Müntefering auch zahlreiche Politiker anderer Parteien gekommen. CDU-Mitglied Lothar de Maiziere, in dessen letztem DDR-Kabinett Hildebrandt schon Arbeits- und Sozialministerin war, erschien ebenso wie Altbundespräsident Richard von Weizsäcker oder die PDS-Politiker Gregor Gysi und Lothar Bisky zur Trauerfeier. "Denn wofür einer stand, war Regine Hildebrandt wichtiger als die Farbenlehre in der Politik", sagte Simonis.

(RPO Archiv)
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