Großbritannien: Wahlbeteiligung fiel mit 59 Prozent Tony Blair siegt souverän

London (rpo). Bei den Wahlen in Großbritannien hat Tony Blairs Labour Party die absolute Mehrheit errungen. Nach den am Freitag vorliegenden Ergebnissen kommt Labour auf 413 der insgesamt 659 Sitze im Unterhaus, nur fünf weniger als bisher. Der konservative Parteivorsitzende William Hague trat nach der Niederlage der Tories von seinem Amt zurück. Bundeskanzler Gerhard Schröder gratulierte Blair zu seinem Wahlsieg.

Die Konservativen konnten ihr historisches Rekordtief von 1997 nur um einen Sitz verbessern und errangen 166 Mandate. Die Wahlbeteiligung fiel mit 59 Prozent auf den schlechtesten Wert seit mehr als 80 Jahren. Blair sprach am Freitag vor seinem Amtssitz in der Downing Street von einem "historischen Sieg". Er verstehe ihn als "klaren Auftrag" zu stärkeren Reformen.

Während Labour etwa 43 Prozent der Stimmen erhielt, mussten sich die Konservativen mit knapp über 32 Prozent zufrieden geben. Die kleinere Oppositionspartei, die Liberaldemokraten, gewannen deutlich hinzu und erreichten mit etwa 19 Prozent der Stimmen ihr bestes Ergebnis seit 1929. Die Zahl ihrer Sitze stieg von 46 auf 52.

Noch nie zuvor in der britischen Geschichte ist eine Regierung nach ihrer ersten Amtszeit mit einer so großen Mehrheit wiedergewählt worden wie jetzt Labour. In seiner Siegesrede sprach Blair von der "Herausforderung des Wandels", der sich Großbritannien stellen müsse. Ohne den Euro konkret zu nennen, sagte er: "Wir müssen genügend Glauben an uns selbst haben, um uns nicht in die Isolation zurückzuziehen." Das britische Pfund verlor nach dem deutlichen Labour-Sieg am Freitag weiter an Wert und fiel kurzzeitig sogar unter 1,38 Dollar. Die Reaktion der Märkte zeige, dass ein britischer Euro- Beitritt jetzt für wahrscheinlicher als je zuvor gehalten werde, sagten Analysten.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gratulierte Blair und erklärte, der britische Wähler habe den Erfolg der reformfreudigen und verantwortungsvollen Politik Blairs anerkannt. Der französische Premierminister Lionel Jospin sagte, für Frankreich sei die Haltung Großbritanniens in allen europäischen Fragen besonders wichtig, und er hoffe dabei auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Göran Persson nannte den Labour-Wahlsieg "unglaublich wichtig" für die EU. "Hätten wir eine Hague-Regierung in Großbritannien bekommen, wäre der Göteborger EU-Gipfel nächste Woche total kaputt gewesen, weil die Konservativen den Vertrag von Nizza ablehnen. Er ist die Voraussetzung für die Erweiterung der EU", sagte der Sozialdemokrat. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin gratulierte Blair.

Bei den Konservativen wurde am Freitag der finanzpolitische Sprecher und frühere Verteidigungsminister Michael Portillo als möglicher Nachfolger von Hague gehandelt. Portillo hatte seiner Partei schon in der Wahlnacht eine "Periode des In-sich-Gehens" empfohlen. Der ehemalige britische EU-Kommissar Leon Brittan kritisierte, es habe sich nicht ausgezahlt, dass seine Partei einen Wahlkampf gegen die EU geführt habe. Dagegen sprach die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher (75) von einem "hervorragenden Wahlkampf" und versicherte: "Die Konservativen kommen zurück." Thatcher hatte sich immer wieder in den Wahlkampf eingeschaltet. Nach jeder ihrer Interventionen waren die Konservativen in den Umfragen weiter zurückgefallen.

Die konservative Opposition hatte im Wahlkampf versucht, den möglichen Beitritt Großbritanniens zur Eurozone zum Hauptthema zu machen. Mehr als zwei Drittel aller Briten sind nach Umfragen gegen den Euro. Die Regierung wich dieser Frage aus und versprach Verbesserungen im öffentlichen Dienst und im Gesundheitswesen. Labour musste sich vor allem von eigenen Mitgliedern und Sympathisanten vorhalten lassen, die 1997 errungene große Mehrheit nicht für radikalere soziale Reformen genutzt zu haben.

(RPO Archiv)
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