Damaskus Tödlicher Angriff auf UN-Hilfskonvoi

Damaskus · Es gibt Dutzende Tote. Weitere Hilfsleistungen wurden vorerst gestoppt.

Die Fernsehbilder waren dramatisch. Ein Fahrer eines aus mindestens 18 Lkw bestehenden Hilfskonvois für Aleppo stand vor brennenden Autos, lodernden Häusern und einem Lebensmittellager in Flammen. Mitglieder von Uno und Rotem Halbmond luden gerade Nahrung für Hilfsbedürftige in Syriens größter Stadt auf, als die Attacke passierte. Insgesamt fünf Luftangriffe sollen auf die Hilfsfahrzeuge geflogen worden sein.

Über die Zahl der Toten in dem Ort Urum al Kubra gibt es widersprüchliche Angaben. Von zwölf bis 38 ist die Rede. Die UN sprechen von Abscheu und Fassungslosigkeit, ihr Sonderbotschafter gar von einem Kriegsverbrechen, sollte sich bewahrheiten, der Angriff sei von russischen und syrischen Regierungstruppen geflogen worden. Die Lebensmittel sollten in Dörfer um Aleppo gebracht werden, die unter der Kontrolle der Rebellen sind. Etwa 78.000 Menschen sollen dort Hilfe brauchen. UN und Rotes Kreuz stoppten gestern alle Hilfslieferungen nach Syrien. Es ist nicht das erste Mal, dass Mitglieder von Hilfsorganisationen in Syrien angegriffen werden. Von Anfang an forderte der schon mehr als fünf Jahre dauernde Bürgerkrieg auch Opfer unter den Helfern. Sie wurden gekidnappt, gegen Lösegeld freigelassen oder getötet. Krankenhäuser wurden angegriffen, Patienten und Ärzte getötet.

Dass jetzt ein ganzer Konvoi angegriffen wurde, ist neu. Hilfslieferungen in belagerte Kampfgebiete waren ein Hauptziel der Feuerpause, die die USA und Russland vereinbart haben. Am Wochenende kam es zu neuen Spannungen zwischen Washington und Moskau, nachdem bei einem US-geführten Luftangriff Soldaten der syrischen Armee getötet worden waren. Die Vermutung, bei dem Angriff auf den UN-Konvoi handele es sich um einen Racheakt, liegt nahe, ist aber wenig stichhaltig. Gestern kündigte Russland eine Untersuchung des Zwischenfalls an.

Ein Knackpunkt dürfte die unterschiedliche Einschätzung zwischen Russland und den USA sein, welche Rebellen als moderat und welche als terroristisch anzusehen sind. Denn obwohl die stärkste bewaffnete Miliz, Al Nusra, sich inzwischen von Al Kaida losgesagt und sich in Fatah al Scham umbenannt hat, bleibt sie für die Russen eine Terrororganisation. Die Amerikaner stellt das vor ein Problem: Die Miliz kooperiert in vielen Regionen eng mit anderen Milizen, die als Partner der USA gelten - wie die zweitstärkste Rebellenorganisation Ahrar ash-Sham.

Eine Analyse der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik nennt die Organisation die "syrischen Taliban" in Anlehnung an die Situation in Afghanistan, wo die Amerikaner radikal islamische Gruppierungen gegen die damalige Sowjetunion unterstützten. "Die Ahrar asch-Sham haben sich seit 2012 als eine der stärksten Gruppierungen des syrischen Aufstands etabliert", schreibt Nahost-Experte Guido Steinberg. Sie gehört zum islamistisch-salafistischen Spektrum des Aufstands. Sie will das Assad-Regime stürzen, wie die Vereinigten Staaten.

(RP)
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