Aleppo Tod und Zerstörung in Aleppo

Aleppo · Mehrere Stadtteile der nordsyrischen Wirtschaftsmetropole in Grenznähe zur Türkei sind hart umkämpft. Fürchtet die Regierung in Ankara die Spaltung des Nachbarlandes und einen möglichen kurdischen Staat in dessen Norden? US-Außenministerin Hillary Clinton reist nach Istanbul.

Die Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) bezeichnen ihren Kampf mit den Regierungstruppen von Präsident Bachar al Assad um die nordsyrische Stadt Aleppo hoffnungsvoll als Entscheidungsschlacht. Ob sie es wirklich ist, ob die Stadt am Ende zur Wiege einer neuen Nach-Assad-Zeit wird und zum Zerfall Syriens führt, ist offen. Fotos und Videos zeigen Kämpfer oder Soldaten unter Waffen. Sie zeigen schwere Gefechte, Tod und Zerstörung. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London sagt, in den Stadtteilen Salaheddin, al Hamdanije oder al Sukkari tobten Gefechte zwischen Regierungstruppen und Aufständischen. Es gibt aber auch Berichte, die behaupten, die Front sei weit weg, irgendwo in den Randbezirken der Wirtschaftsmetropole Aleppo. In anderen Stadtteilen herrsche Normalität.

In Aleppo – seit 2006 Kulturhauptstadt des Islam – leben unter Einschluss der Vororte rund 2,5 Millionen Menschen. Araber und Kurden bilden die Bevölkerungsmehrheit, rund 15 bis 20 Prozent der Bewohner sind Christen. Die Stadt hat eine lange und ruhmreiche Geschichte. 1900 Jahre vor Christus wird sie erwähnt, es gibt Bündnisse mit Babylon. Später eroberten die Hethiter Aleppo. 637 wurde sie von den Arabern übernommen. Im Mittelalter gehörte die Stadt zum Byzantinischen Reich. Die Kreuzfahrer hatten Aleppo 1098 und in den Jahren 1124/25 belagert. Einnehmen konnten sie die Stadt nie.

Aleppos wechselvolle Geschichte als alter Handelsplatz zwischen Indien, dem Gebiet von Euphrat und Tigris und dem Gebiet der heutigen syrischen Hauptstadt Damaskus führt Herrscher und Eroberer wie Saladin oder die Mongolen auf. Sie war Teil des Mameluken-Reiches und fiel 1517 an die Osmanen. Die Altstadt mit sehenswerten Gassen, Kirchen, Moscheen und der mittelalterlichen Zitadelle wurde von der Unesco 1986 zum Weltkulturerbe erklärt.

Der Bürgerkrieg in weiten Teilen Syriens hat sich in den vergangenen Tagen nun immer mehr zum Sprengsatz für die gesamte Region entwickelt. Vor allem der Kampf um die Wirtschaftsmetropole Aleppo wird mit Argusaugen von der Türkei beobachtet. Über die nahe Grenze haben sich bereits Tausende von Flüchtlingen in Sicherheit gebracht. Als vor Wochen die Syrer ein türkisches Militärflugzeug wohl doch über syrischem Gebiet abschossen, drohte Ministerpräsident Erdogan mit militärischem Eingreifen. Er ließ in Grenznähe türkisches Militär aufmarschieren, er forderte ein Ende des Blutvergießens in Syrien und die unverzügliche Abdankung von Assad.

Die Türkei verfolgt in dem Konflikt im Nachbarstaat nachvollziehbare Interessen. In Nordostsyrien leben als größte ethnische Minderheit des Landes die Kurden entlang der Grenze. Ihr genauer Anteil an der Bevölkerung ist unklar. Er schwankt zwischen neun und 15 Prozent. Große kurdische Gruppen leben auch um die Stadt Afrin im Gouvernement Aleppo.

Die syrischen Rebellen der FSA (gegründet Ende Juli 2011) kontrollieren bereits einen rund 50 Kilometer breiten Landstrich in Grenznähe. Sie verstehen sich als islamistische Gruppierung. In den letzten Tagen hatte es auch vermehrt Gewalt gegen Christen gegeben, denen Nähe zum Assad-Regime nachgesagt wurde. Tausende wurden vertrieben, andere misshandelt.

Die Türkei will vermeiden, dass sich durch den Bürgerkrieg Syrien spaltet und ähnlich wie im Nordirak – und unterstützt durch die dortigen Kurden – in Nordsyrien eine Art Kurdenstaat bilden könnte. Das würde Auswirkungen auf die Türkei haben, die mit allen Mitteln eine solche Entwicklung und eine Ausdehnung auf türkisches Gebiet verhindern will. Die kurdische PKK kämpft seit Jahren in der Türkei mit Terror für einen eigenen unabhängigen Staat. Am kommenden Samstag wird US-Außenministerin Hillary Clinton in Istanbul erwartet, um mit der Türkei eine gemeinsame Linie zur Beendigung des Syrien-Konfliktes zu beraten.

(RP)
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