Berlin Tochter von NSU-Opfer kritisiert Polizei

Berlin · Semiya Simsek musste zweimal um ihren erschossenen Vater Enver trauern: nach seinem Tod im September 2000 und elf Jahre später, als herauskam, dass er das erste Opfer der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) war. Wie die Tat in Nürnberg und die folgenden Ereignisse sie, ihre Familie und ihr Verhältnis zu Deutschland erschütterten, erzählt die 26-Jährige jetzt in ihrem Buch "Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an meinem Vater".

Die Tochter will Enver Simsek ein Gesicht geben. Dass andere die Deutungshoheit über den Vater besaßen, hatte traumatische Folgen für die Familie, wie Simsek eindringlich schildert. Elf Jahre lang "konnten wir nicht einmal in Ruhe um ihn trauern", schreibt sie etwa. Da seien die demütigenden Ermittlungen der Polizei gewesen, die Verdächtigungen und Vorurteile. All die Jahre hätten die Behörden einen rassistischen Hintergrund ausgeschlossen, dafür Familienmitglieder verdächtigt oder vermutet, der Vater sei ins Drogenmilieu verstrickt. Das sei unerträglich gewesen, sagt Semiya Simsek.

Ein wütendes Buch hat die Sozialpädagogin trotzdem nicht verfasst. Sie erhebt Vorwürfe gegen die Behörden, zeigt Enttäuschung, bemüht sich aber, fair zu bleiben. Deutschland sei ihre Heimat. Wegzugehen käme ihr nie in den Sinn – das wäre auch ein Sieg für die Neonazis.

(dpa)
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