Persönlich Susanne Gaschke . . . ist in der Politik gescheitert

Für die "Zeit" beobachtete Susanne Gaschke 15 Jahre lang das politische Geschehen in Deutschland – dann wollte sie selbst eingreifen. Im Juli vergangenen Jahres erklärte die damals 45-Jährige, von nun an "gern selbst Verantwortung übernehmen" zu wollen, und kandidierte für die SPD erfolgreich für das Oberbürgermeisteramt in ihrer Heimatstadt Kiel. Ihr Kollege Jochen Bittner schrieb ihr zum Abschied einen Artikel mit der Überschrift "Tschüs, Susanne", der auch auf das schwierige Miteinander von Journalismus und Parteibuch eingeht. Von dieser Verbindung halte er eigentlich nichts – es sei denn, es handele sich um Susanne Gaschke. "Sie ist ein wahrscheinlich seltenes Ausnahmebeispiel dafür, dass sich wahre politische Leidenschaft auf mehrere Weisen entfalten kann (wenn nicht gar muss), und zwar jeweils glaubwürdig", schreibt Bittner.

Diese Glaubwürdigkeit hat sie nun, nicht einmal ein Jahr nach Erscheinen der kollegialen Lobeshymne, bei den Kieler Bürgern verspielt. Während die ganze Stadt bei der "Kieler Woche" feierte, erließ sie per Eilentscheidung einem Augenarzt und Unternehmer einen Teil seiner Steuerschuld. Nun hat die Kommunalaufsicht in Schleswig-Holstein den Steuerdeal schließlich als "durchweg rechtswidrig" bewertet – Gaschke gerät zunehmend unter Druck. Während "Welt" und "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ihren Rücktritt als unvermeidlich beschreiben, hält sich ihre ehemalige Redaktion mit solchen Aussagen zurück.

Gaschke selbst verteidigt die Entscheidung mit dem Schutz von Arbeitsplätzen, die an dem als "Elvis-Verschnitt" belächelten Professor und seiner Klinik hängen. Bittner lag also, so scheint es, richtig, als er in seinem Artikel auch die Bereitschaft der Kollegin lobte, in der Redaktionskonferenz energisch für eine Sache einzustehen. Das hat sie mit der Eilentscheidung wohl auch gewollt, die Konsequenzen aber unterschätzt.

Laura Schameitat

(RP)
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