Suche nach Sicherheit

Mit Erleichterung reagierte die Gewerkschaft der Polizei auf den Berliner Kompromiss zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung. Das NRW-Justizministerium hält sich dagegen noch zurück.

Düsseldorf Am schnellsten reagierte die Polizei. Kaum hatten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor laufenden Kameras Einzelheiten zur Reform der Sicherungsverwahrung erläutert, äußerte sich der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Frank Richter, überaus positiv zu der Ankündigung, ein gesondertes Unterbringungsrecht für rückfallgefährdete Sexual- und Gewalttäter zu schaffen. "Mit der Entscheidung, gefährliche Straftäter auch nach der Verbüßung ihrer Haft festzuhalten, wenn von ihnen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Anderer ausgeht, entschärft die Bundesregierung eine tickende Zeitbombe."

Das Lob kommt nicht von Ungefähr: Seit Anfang des Jahres, so Richter, habe seine Organisation immer wieder ein eigenständiges Unterbringungsrecht für rückfallgefährdete Sexualstraftäter gefordert: "Dieser Forderung wollen Union und FDP mit ihrem heute beschlossenen Kompromiss zur Sicherungsverwahrung offenbar nachkommen."

Das SPD-geführte NRW-Justizministerium gab sich gestern dagegen weitaus zurückhaltender. "Die Sicherungsverwahrung ist eine hochkomplexe Materie. Wir müssen die Einzelheiten erst einmal prüfen", so Ministeriumssprecher Ulrich Hermanski. Noch könne niemand sagen, wo und wie die neuen Einrichtungen für die Sicherungsverwahrung entstehen sollen.

Fakt ist: In Nordrhein-Westfalen befinden sich zur Zeit 140 Verbrecher nach Verbüßung ihrer Haftstrafe in Sicherungsverwahrung, und zwar in den Justizvollzugsanstalten (JVA) Werl und Aachen. Voraussichtlich 21 von ihnen müssen nach Angaben des Justizministeriums noch in diesem Jahr auf freien Fuß gesetzt werden; bis zum Jahr 2019 könnten es insgesamt 65 werden.

Der Grund dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, das die rückwirkende unbefristete Verlängerung der Sicherungsverwahrung – sie betrug bis zum Stichtag 31. Januar 1998 zehn Jahre – für unzulässig erklärt hat.

Das bedeutet, dass Verbrecher, die vor diesem Stichtag verurteilt wurden, nach Absitzen der Haft "nur" zehn Jahre in Sicherungsverwahrung hätten verbringen dürfen. Weil aber zwischenzeitlich die Befristung aufgehoben wurde, befinden sich etliche Personen (sogenannte "Altfälle") weiterhin in Sicherungsverwahrung. Zu Unrecht, wie der EGMR meint. Bundesweit soll es sich derzeit um bis zu 80 Schwersttäter handeln.

Auch für sie soll es künftig von den JVA entkoppelte neue Einrichtungen mit einem umfassenden Therapieangebot geben. Alle 18 Monate soll geprüft werden, ob die Sicherungsverwahrung fortgesetzt werden muss oder beendet werden kann. Laut Leutheusser-Schnarrenberger wird zudem noch geprüft, ob dort auch jene Täter untergebracht werden können, die bereits aufgrund des EGMR-Urteils aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden sind.

Die neue Möglichkeit zur "vorbehaltenen Sicherungsverwahrung" mache jedenfalls die nachträgliche Sicherungsverwahrung überflüssig, so die FDP-Politikerin. Zudem bestehe die Möglichkeit, freigelassene Täter mit elektronischen Fußfesseln zu überwachen.

Der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings, spricht von einer akzeptablen Lösung. Die Union habe sich mit ihrem Konzept weitgehend durchsetzen können. Für die Linkspartei handelt es sich dagegen um einen "Scheinkompromiss".

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