Sturmgewehr-Affäre Das Problemgewehr

Berlin · Zwischen zwei CDU-Minister passt kein Blatt Papier. Das war die Botschaft von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Thomas de Maizière, als sie gestern im Verteidigungsausschuss zur Sturmgewehr-Affäre aussagten. Gemeinsam eilten sie bei Ankunft an Dutzenden Journalisten vorbei, im Saal schaute de Maizière ernst, von der Leyen lächelte in die Runde der Ausschussmitglieder.

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Foto: dpa, lof

Die allerdings hatten einige kritische Fragen an die Amtsinhaberin und ihren Vorgänger: Seit wann war dem Verteidigungsministerium bekannt, dass das G 36 bei häufigen Feuerstößen und großer Hitze nicht mehr genau treffen würde? Warum unternahm de Maizière nichts, außer mehrere Gutachten anzufordern, als er spätestens im März 2012 davon hörte? Und führten Seilschaften zwischen Beamten und dem G 36-Hersteller Heckler & Koch zu weiteren Beschaffungen des Standardgewehrs und einem Festhalten am G 36-Einsatz bis 2015?

Pünktlich nach zwei Stunden kamen von der Leyen und de Maizière gemeinsam aus der nicht-öffentlichen Sitzung, gingen vor die Kameras und traten wie ein Herz und eine Seele auf. De Maizière sagte zu den Erkenntnissen aus den von ihm eingeleiteten Gutachten: "Diese Ergebnisse führten alle dazu, dass nach meiner damaligen Kenntnis das Gewehr G 36 voll einsatztauglich ist, ein gutes Gewehr ist und Einschränkungen im Einsatz nicht geboten sind." Das sei das Lagebild zum Ende seiner Amtszeit gewesen, gestützt durch persönliche Befragungen von Soldaten. "Zu der Zeit danach werde ich mich nicht äußern", sagte der Minister knapp, der in Berlin auch den Spitznamen "Büroklammer" trägt. Er gilt als Musterbeamter, als Liebhaber geordneter Strukturen und Aktenverläufe. Es passt ins Bild, dass er zunächst nur die Tauglichkeit des G 36 prüfen ließ, mehrfach.

Anders Ursula von der Leyen. Ihr Entschluss im April 2015, dass kurzerhand die 167 000 noch im Besitz der Bundeswehr befindlichen Gewehre ausgemustert oder nachgerüstet werden müssen, wurde auch als Ohrfeige für de Maizière gewertet. Mit diesem Eindruck wollte sie gestern aufräumen. "Wir haben beide dieselbe Sicht auf die Dinge", beteuert von der Leyen. "Ich bin dankbar, dass Thomas de Maizière notwendige Untersuchungen auf den Weg gebracht hat." Sie sei aber durch die beiden in ihrer Amtszeit veröffentlichten kritischen Berichte des Bundesrechnungshofes und des Freiburger Ernst-Mach-Instituts zu der Erkenntnis gelangt, dass das G 36 "in dieser Konstruktion" keine Zukunft in der Bundeswehr habe. Fragen der Journalisten ließen die beiden nicht zu, rauschten Seite an Seite ab. Zu anderen Vorwürfen in Zusammenhang mit der G 36-Affäre sagten sie nichts. Denn im Kern der derzeitigen Aufklärungsversuche geht es längst nicht mehr nur um die technischen Defizite der Standardwaffe der Truppe.

So wurden pünktlich zur gestrigen Ausschusssitzung etwa neue Hinweise bekannt, wonach der Militärische Abschirmdienst in die G 36-Affäre verwickelt sein könnte. "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel Online" hatten über interne Äußerungen eines Beamten einer Ausrüstungs-Dienststelle der Bundeswehr berichtet, wonach der Militär-Geheimdienst die Weitergabe von vertraulichen Informationen an Journalisten überprüft habe. Das Ministerium ließ den Mann noch am gestrigen Tag befragen. In einer ersten Reaktion hieß es später, bei den Äußerungen des Beamten habe es sich um eine "Einzelwahrnehmung" gehandelt. Von der Leyen wiederholte das vor den Kameras nicht. Auch sagte sie nichts zu einem Briefwechsel zwischen dem Verteidigungsministerium und dem heutigen Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Er soll im Jahr 1994, damals noch als einfacher Abgeordneter, das Ministerium zur Anschaffung der Heckler & Koch-Waffe gedrängt haben. Das Unternehmen sitzt in seinem Wahlkreis in Baden-Württemberg.

Für den Linken-Abgeordneten Jan van Aken ist die Vorlage der Briefe aber ausschlaggebend für seine Entscheidung, ob es einen Untersuchungsausschuss geben muss. "Wenn wir die Briefe nicht sehen können, wird es einen Untersuchungsausschuss geben", drohte er. Die Grünen erneuerten ihre Forderung nach einem Untersuchungsgremium, bei dem die Minister erneut als Zeugen geladen werden könnten und dann unter Wahrheitspflicht aussagen müssten.

(jd)
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