Sturm über Romneys Parteitag

Das Spektakel in Tampa, bei dem der reiche Ex-Gouverneur zum Herausforderer von US-Präsident Barack Obama gekürt werden soll, wird zwar heute offiziell eröffnet, wegen des Unwetters aber sofort ausgesetzt. Damit muss auch die Nominierung um mindestens einen Tag verschoben werden.

Tampa Mit "Isaac", dem Tropensturm, hat die Parteitagsregie natürlich nicht rechnen können. Ein wenig hat "Isaac" sie bereits durcheinandergebracht, die Planungen für den Nominierungskonvent der Republikaner. Der zeremoniellen Eröffnung am heutigen Tag folgt eine sofortige Vertagung, was bedeutet, dass die Konferenz in Tampa in Florida um einen Tag kürzer ausfällt – um mindestens einen Tag, wenn man die Unberechenbarkeit entfesselter Naturgewalten bedenkt. An der Hauptsache ändert "Isaac" aber nichts: Es wird eine Show, die Mitt Romney im Zeichen roter, blauer und weißer Luftballons ins Rennen ums Weiße Haus schickt, untermalt von Countryklängen und Gospelchören.

Es ist lange her, dass so ein Kongress tatsächlich etwas entschied, dass sich zwei Rivalen bis kurz vor Ultimo spannende Duelle lieferten um die Kandidatur ihrer Partei. Bei den Demokraten muss man bis 1980 zurückgehen, als der Rebell Edward Kennedy den Präsidenten Jimmy Carter in letzter Minute von der Spitze verdrängen wollte, bei den Republikanern sogar bis 1976, als der Favorit Gerald Ford eine Attacke des Herausforderers Ronald Reagan nur mit Müh und Not abwehren konnte.

Die urwüchsige Dramatik solcher Kampfabstimmungen ist längst der Berechenbarkeit einer Hollywood-Gala gewichen. Hier und da ein überraschender Gag, ein eigenwilliger Auftritt. Vielleicht findet sich sogar ein Redner, der die Harmonie kurz stört, sei es der kauzige Libertäre Ron Paul oder der eitle Altkonservative Newt Gingrich, beide Verlierer der Primaries.

Doch das Drehbuch ist längst geschrieben: Es geht darum, dem gesichtslosen Kandidaten Mitt Romney Konturen zu geben. Als er den liberalen Bundesstaat Massachusetts im Gouverneursamt regierte, war der praktisch veranlagte Geschäftsmann für das Abtreibungsrecht, für strengere Waffenkontrollen und Klimagesetze. Obendrein fädelte er eine Gesundheitsreform ein, deren Kernstück die obligatorische Krankenversicherung bildete, den Vorläufer der Obama-Reform des Jahres 2010. Jetzt will er von alledem nichts mehr wissen. Um sich in den Reihen seiner nach rechts gedrifteten Partei durchzusetzen, hat sich der Mann der Mitte zum Konservativen gewandelt, zumindest nach außen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Politiker sein Fähnchen opportunistisch nach dem Wind hängt. Doch Romney ist in dieser Disziplin amerikanischer Meister, Mister Flip-Flop, wie ihn Kritiker ob seiner ständigen Schwenks nennen. Langsam möchten die Wähler wissen, wo der Mann wirklich steht, was er denkt, was ihn antreibt. Und vor allem: Der Kandidat soll genauer erklären, wie er die USA aus der derzeitigen Job- und Vertrauenskrise herauszuführen gedenkt.

Bisher beließ er es bei dem allgemeinen Hinweis, dass er vom Managen mehr verstehe als Barack Obama, dass er handeln werde, während der Amtsinhaber nur schöne Reden halte. In schwieriger Wirtschaftslage, schien Mitt Romney bis dato zu glauben, wird sich die Mehrheit der Amerikaner automatisch für die Alternative zu Barack Obama entscheiden. Wozu also das eigene Profil schärfen, eigene Pläne konkretisieren?

Sein 59-Punkte-Programm für den Aufschwung liest sich wie ein Wunschzettel, bei dem jede Lobbygruppe aufschreiben durfte, was ihr am Herzen liegt. Romney verspricht, Defizite abzubauen und zugleich Steuern zu senken und die Verteidigungsausgaben zu erhöhen – kaum vorstellbar, wie dies in der Praxis funktionieren soll.

Mit Paul Ryan, dem Bewerber um die Vizepräsidentschaft, holte er einen rechten Ideologen ins Boot, der mit seinem resoluten Sparkurs zwar die Parteibasis mobilisiert, bei heftig umworbenen Wechselwählern jedoch die Zweifel verstärkt. "Wir können es uns nicht leisten, die Partei einer einzigen Philosophie zu sein", warnt denn auch Bob Dole, einer der Granden der Grand Old Party. In Tampa hat Romney die Chance, Farbe zu bekennen, sich festzulegen, ein realistisches Programm zu präsentieren. Ob er sie nutzt, wird man am Freitag wissen.

Eines, so stellte er bereits vorab klar, wird er nicht tun: sein Privatleben offenlegen, sich auf die Psychologencouch legen und "alles herauslassen", wie er es dem "Wall Street Journal" anvertraute. "Ich werde nicht jeden ins Heim meiner Kindheit mitnehmen und sagen: Schau mal, hier bin ich damals Fahrrad gefahren."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort