Berlin Studie rügt Akademiker-Mangel

Berlin · Der OECD-Bildungsbericht hat eine Kontroverse über die Qualität des deutschen Bildungssystems ausgelöst. Während die deutschen Politiker die niedrige Jugendarbeitslosigkeit hervorheben, beklagen die internationalen Experten fehlenden akademischen Nachwuchs.

In den Krisenjahren zwischen 2008 und 2009 war Deutschland der einzige Industriestaat, in dem sich die Lage am Arbeitsmarkt für alle Bildungsniveaus gebessert hat. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 7,9 Prozent die niedrigste in ganz Europa. Das Modell der dualen Ausbildung, wonach Jugendliche im Betrieb und auf der Berufsschule parallel ausgebildet werden, stößt mittlerweile auch in anderen europäischen Ländern auf Interesse.

Gerade in Zeiten der Krise profitiere Deutschland davon, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung über einen guten Bildungsabschluss verfüge, betonte das Bildungsministerium. 86 Prozent hätten entweder Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Im Durchschnitt der Industriestaaten seien es nur etwa drei Viertel der Bevölkerung.

Auch die Quote der Drei- und Vierjährigen, die einen Kindergarten besuchen, ist im internationalen Vergleich sehr hoch. Die Zahl der Schulabbrecher ohne Abschluss ist von acht auf 6,5 Prozent gesunken. Und fast jeder zweite junge Mensch bekommt mittlerweile eine Berechtigung fürs Studium.

Dennoch geben die Experten des OECD-Bildungsberichts dem deutschen Bildungssystem schlechte Noten. Die Wissenschaftler sehen Deutschland sogar als Absteigerland in Sachen Bildung. In Deutschland erlange nur jeder Fünfte von den 25- bis 34-Jährigen einen besseren Bildungsabschluss als seine Eltern. Umgekehrt sind 22 Prozent der Jüngeren schlechter ausgebildet als ihre Eltern. Im Durchschnitt der Industriestaaten sind dies nur 13 Prozent.

Die weit auseinander gehenden Ansichten über die Qualität des deutschen Bildungssystems lassen sich vor allem durch die unterschiedliche Interpretation des Werts einer Berufsausbildung erklären. Aus Sicht der OECD ist es ein Abstieg, wenn die Kinder von Akademikern kein Hochschulstudium absolvieren. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sieht das anders. Es sei kein Abstieg, wenn die Kinder von Akademikern eine Ausbildung etwa zum Optiker anfingen.

Mit Blick auf die Verdienstmöglichkeiten ist das Hochschulstudium aber auch in Deutschland lohnender als eine Berufsausbildung. "In Deutschland zahlen die Arbeitgeber mehr für ihre Beschäftigten als in anderen OECD-Ländern", heißt es in der Studie, "und sie zahlen umso mehr, je höher das Bildungsniveau ihrer Arbeitnehmer ist." Allein in den vergangenen zehn Jahren ist demnach der Verdienstvorsprung, den männliche Arbeitskräfte mit Hochschulstudium gegenüber denen mit einer Lehre haben, um 16 Prozentpunkte gestiegen. Bei den Frauen vergrößerte sich der Abstand sogar um 31 Prozentpunkte.

"Es gibt keine Alternative zu mehr Bildung, um im internationalen Wettbewerb auf Dauer bestehen zu können", mahnte die OECD-Bildungsdirektorin Barbara Ischinger. Die Bildungsexperten der Industriestaaten-Organisation bemängelten, dass der Anteil der hochqualifizierten Kräfte aus Deutschland im internationalen Vergleich zurückgehe. Während Deutschland bei den älteren Jahrgängen noch 6,3 Prozent der Hochqualifizierten stelle, betrage der Anteil bei den 25- bis 34-Jährigen nur 3,1 Prozent. Inwieweit dafür der demographische Wandel verantwortlich ist, wird von den Experten allerdings nicht beantwortet.

(qua)
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